42 Innere Kolonisation. VI. Buch.
welcher auch die Städte sich neu rekrutieren können. Gegenüber den Bestrebungen der
Demokratie, jede menschliche und göttliche Autorität zu beseitigen, hat sie in erster Linie
die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß Gottesfurcht und Königstreue erhalten wird, denn
hierin liegt der letzte Damm gegen die Elemente des Umsturzes.
Wenn wir weiter fragen: „Wo sollen wir
kolonisieren?", so ergibt sich von selbst, daß
wir zunächst diejenigen Gegenden ins Auge zu fassen haben, in welchen der Großgrund-
besitz zu stark massiert ist. Auszuschließen von der Kleinbesiedlung sind alle diejenigen
Flächen, welche einen zu schweren Boden haben, welcher der Arbeit des Kleinbesitzers
einen zu schweren Widerstand entgegensetzt, und ebenso diejenigen mit zu leichtem Boden.
Ausgeschlossen sind selbstverständlich auch die großen Forstflächen, die im Besitz des
Großgrundbesitzes oder im staatlichen und kommunalen Besitz bleiben müssen. Dringend
wünschenswert wäre es, die leider vor einem Fahrhundert geteilten bäuerlichen Forsten
und Weiden wiederum nach altem Brauch in den Gemeinden zusammenzulegen.
Wo sollen wir kolonisieren?
Selbstverständlich wird die Schwierigkeit
der Beschaffung der nötigen Flächen
für die Aufteilung immer mehr wachsen. Heute ist aber in den meisten Provinzen noch
ein reichliches Angebot vorhanden; wenn wir damit rechnen mühssen, daß dasselbe all-
mählich nachläßt, so wird nur übrigbleiben, daß wir dem Staat Rechte zur Erwerbung
von Grundbesitz geben, welche über das, was wir heute haben, binausgehen. Leider
besitzen wir kein Agrarrecht im deutschen Sinne; der Grundbesitz ist zur Ware geworden
und wir wissen, daß es große Mengen von Gütern gibt, welche heute — wie man das
nennt — im Markte schwimmen und in kurzen Zeitabschnitten immer wieder zum Ver-
kauf kommen. Dieser Besitz hat seine nationale Aufgabe verfehlt, und er ist der erste,
welcher dazu bestimmt sein muß, zur Aufteilung zu gelangen. Deshalb würde es durchaus
gerechtfertigt sein, wenn durch die Gesetzgebung dem Staate ein Vorkauferecht für den-
jenigen Grundbesitz gegeben würde, welcher, abgesehen von Erbübergängen, in bestimmter
kurzer Frist mehr als einmal in andere Hände übergeht. Eine solche Bestimmung würde
auch für die national gefährdeten Provinzen von erheblicher Bedeutung sein. Erhalten
wir daneben ein Ansiedlungsgesetz mit den nötigen Handhaben, dann dürfte für alle
Fälle vorgesorgt sein, dann würde auch der Streit über die Enteignung vollkommen
binfällig werden.
Aun wird an manchen Stellen ein besonderer Wert darauf gelegt, die staatlichen
Oomänen zu parzellieren. Gewiß mag ein Teil derselben heute entbehrlich sein; sie
haben ihre Aufgabe erfüllt, die darin lag, Musterwirtschaften zu schaffen. Wo, wie
3. B. in Neu-Vorpommern, der Domänenbesitz und der gebundene Besitz mit den Gütern
der Städte und Stiftungen so außerordentlich überwiegt, da mag vielleicht der Domänen-
besitz in erster Linie zur Aufteilung berufen sein. Aber auch hier gilt es, sich von Uber-
treibungen frei zu halten. Fürst Bismarck hat einmal gesagt: „Den preußischen Leut-
nant macht uns kein Volk nach.“ Ich möchte behaupten: „Den altpreußischen Groß-
Schwierigkeiten der Beschaffung.
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