Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
62 Bergbau und Hüttenwesen. VI. Buch. 
  
von Pfeilerabschnitten infolge des bei diesem Abbau auftretenden starken Gebirgsdruckes 
mußte man ganze Pfeiler oder sogar ganze Bauabteilungen preisgeben, und in mäch- 
tigen Flözen konnte in der Regel nur ein Teil der Kohlenscheibe gewonnen werden, wo- 
durch ganz erhebliche Verluste entstanden, die eine große Einbuße an nationalem Ver- 
mögen bedeuten. Oiese bei Pfeilerbau unvermeidlichen Kohlenverluste betragen im 
Durchschnitt 20—50 %, können jedoch auf 50 % und mehr steigen. Falls man sich heute 
noch dieser Abbauart bediente, würden bei einer jährlichen Förderung von 180 Millionen 
Tonnen in ODeutschland 60 Millionen Tonnen Kohle in Höhe von 600 Millionen Mark im 
Jahre unwiederbringlich verloren gehen. Ein anderer ebenso schwerwiegender Nachteil des 
Pfeilerbaues besteht darin, daß die in der Grube zurückgebliebenen Kohlenreste sich leicht 
entzünden und große Grubenbrände hervorrufen, die das Leben der Arbeiter in hohem 
Maße gefährden und auch bedeutende Verluste an Kohle zur Folge haben, indem sie zum 
Verlassen ganzer Grubenfelder führen können. Ferner erhöht sich durch die mit dem Pfei- 
lerbau verbundene Unmöglichkeit einer regelrechten und guten Wetterführung die Ge- 
fahr der Schlagwetter und Kohlenstaubexplosionen. Auch die Gefahr des Stein- und 
Kohlenfalles ist infolge der starken Erschütterung, die das Gebirge beim Zubruchegehen 
der Pfeiler erleidet, sehr bedeutend. Durch dieses Zubruchegehen wird aber auch die 
Tagesoberfläche in Mitleidenschaft gezogen, es entstehen Tagebrüche und Senkungen, 
die eine Beschädigung der auf ihnen stehenden Baulichkeiten und sogar deren Ein- 
sturz häufig im Gefolge haben. Infolge der hierdurch entstehenden Entschädigungs- 
pflicht erwachsen dem Bergwerksbesitzer besonders in dicht bebauten Gebieten außer- 
ordentlich hohe Unkosten, die den Betrieb eines Bergwerkes überhaupt in Frage stellen 
können. 
Man verwandte zum Versatze in der ersten Zeit nur eigene Berge, die beim Auffah- 
ren der Strecken und beim Nachreißen fielen. Hierdurch wurde die Senkung des Hangen- 
den natürlich nur zeitweilig aufgehalten, aber nicht vollständig verhindert. Diese Sen- 
kung geht indes so langsam und, bei gut ausgeführtem Bergeversatze, so gleichmäßig vor 
sich, daß erhebliche Schädigungen der Tagesoberfläche nur selten sind. 
Will oder muß man jedoch unter allen Umständen eine Bodensenkung vermeiden, 
wie dies unter Eisenbahnen, Kanälen, Ortschaften und in der Nähe des Schachtes nötig ist, 
und zu deren Schutze man früher Kohlensicherheitspfeiler stehen ließ, so läßt sich ein Abbau 
dieser Sicherheitspfeiler nur durch Einbringen fremder Berge erzielen, durch die ein tat- 
sächlicher Ersatz für die gewonnenen Materialien beschafft wird. Man spült feinkörniges 
Versatzmaterial mit Hilfe eines Wasserstromes in geschlossenen NRöhren in die Grube. 
Nachdem der Spüloversatz bereits im Zahre 1895 im sächsischen Steinkohlenbergbau zur 
Verhütung von Grubenbränden angewendet worden war, fand seine planmäßige Durch- 
und Einführung im Jahre 1900 auf der Mpslowitzgrube durch Bergrat Williger und 
Bergwerksdirektor Fritsch statt, von wo aus er sich dann in den letzten 10 Jahren in 
ganz Deutschland verbreitet hat, und zwar nicht nur auf Steinkohlen-, sondern auch auf 
Eisenerz- und Kaligruben. 
Bei einem Kohlenvorrate von 200 Milliarden Tonnen in Deutschland und bei einer 
durch den Spülversatz erzielten Verringerung der Abbauverluste um nur 10%, was 
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