74 Bergbau und Hüttenwesen. VI. Buch.
durch Klaubarbeit die Berge aus der Kohle herauszulesen und diese durch Absieben nach
verschiedenen Korngrößen zu sortieren. Der mit dem Ausbau des Eisenbahnnetzes sich
ausdehnende Versand der Kohle nach entfernteren Gegenden und die sich steigernden
Wünsche der Abnehmer nach aschearmen Kohlen für Kesselfeuerung und Hausbrand,
sowie der wachsende Bedarf der Eisenindustrie nach einem Koks von geringem Aschen-
gehalte zwang bald zu einer gründlichen Aufbereitung der Kohle, die viel einfacher und
leichter durchzuführen ist als die Erzaufbereitung. Denn bei letzterer müssen oft drei oder
noch mehr Erzarten voneinander und von den Bergen getrennt werden, während es sich
bei der Kohlenaufbereitung nur um das Trennen der Kohle von den Bergen und um ein
Sortieren nach Korngrößen, dem sogenannten Klassieren, handelt. Die Hauptarbeit
fällt hierbei den Setzmaschinen zu, die eine ähnliche Entwicklung und ähnliche Fortschritte
wie die Erzsetzmaschinen zeigen.
Oie bedeutendste Neuerung dürfte auf dem Gebiete der Kohlenaufbereitung wohl
das Baumsche Prinzip: „Erst waschen, dann klassieren“ sein, nach dem im Gegensatz
zu den früheren Aufbereitungsanlagen das Sortieren der Kohle nach den Korngrößen erst
nach erfolgter Setzarbeit geschieht. In Anbetracht des höheren Wertes, den ein stärkeres
Korn hat, wird jede Zerkleinerung der Kohle nach Möglichkeit vermieden und infolge-
dessen auch das vollständig unnötige Zerkleinern der Berge und ihr mehr oder weniger
starkes Auflösen in den Waschwässern, deren Klärung und Reinigung bei den Baumschen
Aufbereitungen sehr erleichtert wird. Neuerdings verbindet man auch das alte Prinzip:
„Erst klassieren, dann waschen“, mit dem Baumschen; so nimmt z. B. die Maschinenbau-
anstalt Humboldt erst ein beschränktes Klassieren, dann ein Waschen und schließlich das
endgültige Klassieren vor.
Besondere Schwierigkeiten verursacht der Kohlenstaub und die Feinkohle, die in den
Abgängen der Aufbereitung in bedeutenden Mengen enthalten sind, die Waschwässer stark
verunreinigt und zum großen Teil verloren geht. Um den Kohlenstaub und die Feinkohle
nutzbar zu machen, baute man in den letzten Jahrzehnten sogenannte Nachwäschen, die
dazu dienen, die an den Bergen haftenden oder von ihnen eingeschlossenen Kohleteilchen
so vollkommen wie möglich zu gewinnen, den Aschengehalt der gewaschenen Erzeug-
nisse möglichst herabzumindern und ferner die in den Abwässern enthaltenen Feinkohlen
nicht verloren gehen zu lassen. ODurch die Feinkohlenwäschen gelingt es, den Aschen-
gehalt der Feinkohle auf 6,5% und weniger herabzudrücken und so diese als Kokskohle
zu verwenden, während man früher häufig gezwungen war, bei Mangel an aschen-
armen Feinkohlen die Kokskohle durch Brechen hochwertiger Stückkohle herzustellen.
Die durch die Nachwäsche erhaltenen Berge sind fast frei von Schwefelkies und Kohle,
so daß man sie zu Zwecken des Bergeversatzes in die Grube zurückschaffen kann, ohne
Grubenbrand befürchten zu müssen. Auch zu den lästigen Haldenbränden können der-
artig gereinigte Waschberge keine Veranlassung mehr geben.
Durch den Verkauf oder die sonstige Verwertung der in solchen Nachwäschen ge-
wonnenen Feinkohle, die ohne Nachwäsche fast vollständig verloren gehen würden,
haben westfälische Kohlenzechen bereits Reingewinne von 70000 bis 300000 Mark im
Jahre erzielt.
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