Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Zweiter Band. (2)

  
80 Bergbau und Hüttenwesen. VI. Buch. 
  
war, seinen eigenen Kraftbedarf reichlich zu decken. Benützt man dagegen das Eichtgas 
direkt in der Gasmaschine zur Krafterzeugung, so steht abzüglich der für die Erhitzung des 
Gebläsewindes erforderlichen Gasmenge und des in den Leitungen entstehenden Gas- 
verlustes eine solche Menge Gichtgas zur Verfügung, daß für jede Tonne Roheisen 
reichlich 25 P§ an fremde Betriebe abgegeben werden können. Man ist also heute durch 
diese Neuerung in der Lage, nicht nur den Hochofen, sondern auch die Stahl- und Walz- 
werke mittels Hochofengas zu betreiben. Der erste Gichtgasmotor wurde 1895 in Hörde 
in Betrieb gesetzt, heute ist weitaus die Mehrzahl der größeren deutschen Hochofenwerke 
mit Gasmaschinen ausgerüstet. 
Ehe diese Neuerung jedoch allgemeine Anwendung finden konnte, mußte die Frage 
einer weitgehenden Reinigung der Gichtgase vom mitgerissenen Staub gelöst sein. Hier 
hat sich hauptsächlich der von Theisen erfundene Zentrifugalreiniger, sowie der mit 
Wassereinspritzung betriebene Ventilator bestens bewährt. Neuerdings kommt ein Ver- 
fahren der Halberger Hütte in Brebach in Aufnahme, bei welchem das Gas durch Säcke 
fütriert wird. 
Auf dem Gebiete der Schlackenverwendung sind ebenfalls Neuerungen zu verzeich- 
nen. Bisher wurde dieselbe zu Kleinschlag, Schlackensteinen und Schlackenzement ver- 
arbeitet. Hierzu ist in der Berichtsperiode die Verwertung als Portlandzement, sog. 
Eisenportlandzement gekommen. Derselbe wird durch Brennen und Mahlen eines innigen 
Gemisches von Schlacke und Kalkstein, welchem 30 Teile granulierte und gemahlene 
Hochofenschlacke zugemischt werden, erzeugt. Das Produkt hat sich in der Prazis bestens 
bewährt und ist durch Erlaß des Ministers der öffentlichen Arbeiten seit einigen Jahren 
zu allen Bauausführungen, zu denen bisher Portlandzement Verwendung fand, zu- 
gelassen worden. Die Roheisenerzeugung stieg in der Berichtsperiode von 3,91 auf 
17,85 Millionen Tonnen. 
Die Puddelösen wurden zu Beginn der Be- 
richtsperiode mit verbesserten Feuerungen ver- 
sehen, ferner die Ofen mit Doppelherden eingerichtet. Die Erzeugung eines Ofens erfuhr 
dadurch eine Verdoppelung und stieg auf etwa 10000 kg in 12stündiger Schicht, wobei 
sich gleichzeitig der Brennstoffaufwand von 80% auf 500% verringerte. 
Diese Verbesserungen beim Puddelprozeß, der in Deutschland beinahe ausschließ- 
lich zur Darstellung des Schweißeisens diente, konnte der Uberhandnahme der Fluß- 
eisenerzeugung nicht steuern, so daß bereits im Jahre 1887 die Flußeisenerzeugung mit 
1738 Kilotonnen diejenige des Schweißeisens mit 1625 Kilotonnen, obgleich letztere in den 
vorhergehenden ZJahren erheblich gestiegen war, überholte. In den darauffolgenden Jahren 
trat zwar noch eine geringe Zunahme der Schweißeisenerzeugung ein, die Konkurrenz 
des Flußeisens machte sich jedoch derart geltend, daß das Schweißeisen mehr und mehr 
verdrängt wurde und seine Erzeugung im Jahre 1912 auf 320 Kilotonnen zurückging. 
Der Puddelprozeß wird zurzeit hauptsächlich im Siegerland und in Oberschlesien 
durchgeführt, während die Werke im Ruhrbezirk und an der Saar ihn zum großen Teil 
aufgegeben haben. 
Darstellung des Schweißeisens. 
  
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