Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
78 Wasserstraßen und Binnenschiffahrt. VIl. Buch. 
  
lohn und sonstigen allgemeinen Unkosten sich entsprechend verringerte. Die Vermehrung 
der Fahrten wurden ihrerseits durch Erhöhung der Geschwindigkeit, durch Abkürzung 
der Hafenaufenthalte, durch bessere Ausrüstung der Lösch- und Ladestellen mit voll- 
kommeneren, Zeit und Arbeit sparenden Maschinen und nicht zum wenigsten auch durch 
Verbesserungen in der geschäftlichen Organisation der Reedereibetriebe herbeigeführt — 
Verbesserungen, welche den Reedereien und Hafenverwaltungen schon durch den ständig 
zunehmenden Wettbewerb aufgenötigt wurden. Derselbe Wettbewerb hat auch dafür 
gesorgt, daß die sinkende Bewegung der Selbstkosten, die aus den hier angedeuteten 
Ursachen sich ergeben hat, in einer parallelen Bewegung der Frachten, also in einer 
entsprechenden Entlastung der Erzeuger und Verbraucher im Einflußbereiche von Wasser- 
straßen, zum Ausdruck gekommen ist. 
Dieser durch Verbesserung der Wasserstraßen ermöglichte und durch die Schiffahrt 
verwirklichte Kückgang der Frachten ist wesentlich stärker gewesen als das gleichzeitige 
Sinken der Eisenbahntarife, wie nicht nur aus Bergleichungen der Frachtsätze im ein- 
zelnen, sondern auch aus der allgemeinen Wahrnehmung sich ergibt, daß der relative Anteil 
der Binnenschiffahrt an der Güterbewegung im deutschen Wirtschaftsgebiet auf Kosten 
der Eisenbahn gestiegen ist. Denn wie das Wasser sich auf der Erdoberfläche stets in der 
Kichtung des stärkeren Gefälles bewegt, so bewegt sich der Güterstrom immer nach der 
Linie der billigeren Frachten. 
Mit diesem Bilde steht auch die quantitative Entwickelung der deutschen Binnen- 
flotte im Einklange. Die Schiffszahl und der Tonnengehalt ist für Fahrzeuge ohne eigene 
Triebkraft von 19 237 mit 2 050 000 t im Jahre 1887 auf 22 923 mit 5 726 000 t im 
Jahre 1907 gestiegen, während die Zahl und Leistungsfähigkeit der Dampfer gleichzeitig 
von 1153 mit 140 000 Pferdekräften auf 3312 mit 485 000 Pferdekräften zugenom- 
men hat. 
Angesichts einer solchen Entwickelung ist doch auch die Annahme gestattet, daß das 
Schiffahrtsgewerbe nicht immer und nicht ganz in dem Umfange, wie es gegenüber 
vielfachen Klagen den Anschein haben könnte, als notleidend anzusehen ist. Denn die 
großen Kapitalien, welche für eine solche Bermehrung des Schiffsparks aufgewendet 
worden sind, können doch nur aus dem Erwerbe der Schiffahrttreibenden selbst ent- 
standen oder aus den Händen von Geldgebern, die an die Möglichkeit des Verdienens 
mit der Schiffahrt glaubten, gekommen sein. 
V. Finanzierung. 
Geschichtlicher Rückblick. Es entsprach in Deutschland einer Jahrhunderte alten 
Tradition, daß Wasserstraßen und Häfen mindestens 
für ihre finanzielle Selbsterhaltung durch Benutzungsgebühren aufzukommen hatten. 
In vielen Fällen — das gilt namentlich für die unter Schiffahrtszölle gestellten großen 
Ströme — hatten sie sogar Reineinnahmen für allgemeine Staatsbedürfnisse aufzu- 
bringen. Diese Tradition hatte um die Mitte des vorigen Jahrhunderts eine starke 
Erschütterung insofern erlitten, als man Reineinnahmen aus Schiffahrtsstraßen 
  
950
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.