Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
8 Eisenbahnen, Strahen· und Lultvertehr, Post und Telegraph. VII. Buch. 
triebe- und Ginanzgemeinschaft schließen, deren Organ ein unter preußischer Eritze 
stehenbes, im übrigen aber mit Vertretern aller deutschen Eisenbahnen besetztes Semein- 
scnasgeen a o aus Oeletierten der Einzellandtase bene dender Eisendahnparlament 
ODie Gemeinschaftsibe#e wurde von einem Teil ber deutschen, insbesondere der sub- 
deutschen Handelskammern lebhaft unterstützt. Der deutsche Handelstag setzte sogar eine 
Kommmission nieber, die über die Frage der Vereinheitlichung der deutschen Esenbahnen 
auf Grunb eines zu sammelnden umfassenden Unterlagenmaterials eine Denkschrift 
ausarbeiten soll. 
Ae#mand wird bestreiten, daß ein Zug fortschreitender Betriebskonzentration burch 
unser Wirtschaftsleben geht. Aber gleichwohl wird man die föderative Eisenbahngemein- 
schaft nucht als das Siel empfehlen können, auf welches die Steuerlinie der deutschen 
Eisenbahnpelltik eingestellt werden sollte. Die Schwierigkeiten der Organisation und des 
Teilungsschlüssels würden bei der föderativen Gemeinschaft #och schwerer zu Überwinden 
sein als bei der Betriebsmittelgemeinschast. Und würden sie Üüberwunden, so bestinde 
die Gefahr, daß bei einem Verartigen Gebilbe der Zwiespalt zwischen den Interessen 
der Gemeinschaft und der einzelnen Teilnehmer und die große Sunmme der hieraus ent- 
speringenden Neibungen und Konyflikte schließlich die erspeießliche Weiterentwicklung des 
beutschen Eisenbahmwesens in Frage stellen würden. 
Vereinheitlichungebestrebungen treten nicht blotz im deutschen Sisenbahnwesen, 
sonbern überall herror, mag das Staats- oder das Privatbahnspstem berrschen. Wäh- 
rend aber die Gemeinschaftsbllbung in Deutschlanb von weiten Kreisen befürwortet und 
veon den Staateregierungen selbst gefördert wird, wird sie in den Ländern des fsolge- 
richtigsten Privatbahnspstems, in den Vereinigten Staaten von Nordamerika und in 
England, als dem Gesetz des freien Wettbewerbs zuwiderlaufend, oon der öffentlichen 
WMeinung bekämpft und durch staatliche „#Antitrustgesetze“ zu verhindern oder doch zu 
erschweren gesucht. In England llagt man darüber, daß infolge der fortschreitenden Be- 
triebsvereinigung unter den Eisenbahnen „der Wettbewerb tot sei,“ wie Acworth sich 
ausdrückt, und in Deutschland führt man bittere Beschwerde darüber, daß die einzelnen 
— SEisenbahnverwaltungen überhaupt noch den Wettbewerb gegeneinander 
men. 
Mielleicht liegt auch in diesem Kampfe der wirtschaftepolitischen Prinzipien die 
Wahrheit in der MWitte. 
Hie deutschen Sisenbahnen sind Heute schon 
Verbände zur Vereinheitlichung. durch Verbände der mannigfachsten 
Art miteinander verknüpft. IZn den letzten 23 Zahren ist eine ganze Reihe weiterer Ver- 
einheitlichungen neu Finzugekommen: Es wurden gemeinsame Signal- und Fahrdienst- 
vorschriften, einheitliche Abfertigungs-, Beförderunge- und Ladevorschriften eingeführt, 
bie Konkurrenz unter den deutschen Eisenbahnverwaltungen ist durch die Vereinbarungen 
Über die Umleitungen im Süterverkehr eingeschränkt worden, im Fahre 1909 haben die 
beutschen Staatseisenbahnen eine Gütertarisfgemeinschaft gegenüber dem Auslande ab- 
  
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