4 Staat und Kirche. . VIII. Buch.
IV. Auf dem Westfälischen Friedenskongreß setzte bekanntlich der Große Kur-
fürst die Einbeziehung auch der Reformierten in die reichsrechtlich festgestellte Parität
der Katholiken und der Evangelischen („confessioni Augustanae addicti“) burch. Im
übrigen enthielten die reichsrechtlichen Vorschriften des Westfälischen Friedens für den
Kurstaat Brandenburg-Preußen keinerlei erhebliche Neuerung des Staatskirchenrechtes;
ja für (Ost- Preußen und Kleve-Mark blieb der Westfälische Friede vielmehr weit hinter
dem bereits zu Anfang des 17. Jahrhunderts erreichten Fortschritt zurück. Als durch
den Wehlauer Vertrag Ostpreußen von der polnischen Lehensfessel frei wurde, wurde
an dem Grundsatze der Parität von Katholiken und Evangelischen nichts geändert. In
den westlichen Landen kam es wohl über die Durchführung der Parität zu scharfen Zu-
sammenstößen mit Pfalz-Neuburg, das seine Vertragspflicht gegen die Evangelischen
in bedenklichster Weise verletzte; die Hohenzollern aber haben trotz dieses Verhaltens
von Pfalz-NReuburg, das sie auch ihrerseits zur Richtachtung des Vertrages berechtigt
bätte, die den Katholiken zugesicherte Parität treu beobachtet.
V. Eine großartige Weiterentwicklung fand sodann das brandenburgzgisch-
preußische Kirchenstaatsrecht unter Friedrich dem Großen. Die Grundsätze
des großen Königs für das Verhältnis von Staat und Kirche sind allgemein bekannt.
Das Wort des Königs, „daß in Preußen jeder nach seiner Fasson selig werden
könne“, lebt fort im Volksmunde; diesem Bekenntnis zu dem großen Gedanken der
Religionsfreiheit stellte der König aber den anderen großen Grundsatz zur Seite: daß
alle, ohne Unterschied des Religionsbekenntnisses, den Gesetzen des Staates
zu gehorchen haben. LDicht allein die Parität der beiden großen christlichen Kirchen
anerkannte der König im Gesamtgebiet seines Staates, sondern er stellte als staats-
rechtliches Grundprinzip den viel weiter reichenden Grundsatz der allgemeinen Religions-
freiheit auf, und wenn es auch die Zeitverhältnisse dem großen König nicht ermöglichten,
alle Folgerungen aus diesem Grundsatze zu ziehen, so hat er doch bis zu seinem Lebens-
ende nicht aufgehört, sich zu diesem Grundsatze zu bekennen. Im Politischen Testa-
mente von 1751 schreibt der König als sein Bermächtnis: „Die Katholiken, die Luthe-
raner, die Reformierten, die Zuden und zahlreiche andere christliche Sekten wohnen
in diesem Staat und leben da in Frieden. Ich suche sie alle zu vereinigen, indem ich
ihnen zum Bewußtsein bringe, daß sie alle Bürger eines Staates sind, und daß man
einen Menschen, der einen roten Rock trägt, ganz ebenso lieben kann, wie denjenigen,
der einen grauen trägt.“ Aber er schreibt auch an den Kardinal Sinzendorf die ernste
Mahnung: „in Sachen, so keine Glaubensartikul angehen, bin Ich summus episcopus
im Lande und erkenne keine päpstliche noch andere autorité: wessen sich der Kardinal
wohl zu bescheiden und wissen muß, daß er unter einem Souverän stehet, der die Mittel
hat, seine Autorität zu soutenieren.“
An den aus der Reformationszeit übernommenen Formen des landesherrlichen
Kirchenregiments für die evangelische Kirche hat Friedrich II. nichts geändert und be-
kanntlich zeitweise durch sehr derbe Willensäußerungen dies Kirchenregiment ausgeübt.
Oen Bau katholischer Kirchen auch in den alten Erblanden hat er gestattet und die erste
katholische Kirche in Berlin selbst bauen lassen; dem bischöflichen Missionsregiment
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