VIII. Buq. Die evangelische Kirche und Theologie. 15
heits und Friedensliebe der Pastoren in der Gemeinde untergraben wird. Immer mehr
differenziert sich dieser Streit. Neue Parteien, Richtungen, Kampforganisationen bilden
sich und verwickeln die Lage.
Streit um die Heilstatsachen; Um die „Heilstatsachen“ geht der
. Kampf und um ihre Oeutung, um die
teien i .
verschiedenePatemndetmtche »iungfkäulicheGeburt,Auferweckungund
Himmelfahrt Christi, Auferstehung des Fleisches“, im Grunde um die „Gottheit Zesu
Christi“, um die Auffassung der „übernatürlichen Offenbarung“ und der „Wunder“, Aber
er bleibt nicht theologisch, er wird praktisch. Man kämpft um die Grenzen der Lehr-
freiheit, den Sinn der Bekenntnisverpflichtung, die Gleichberechtigung der Richtungen.
Uberall führt der kirchliche Kampf zu Kraftproben. Majorisierungen werden unvermeidlich.
Die Abweichungen der Einzelnen von der Theologie der Glaubensbekenntnisse sind ver-
schiedensten Grades. Esist unmöglich, scharfe Grenzlinien zwischen den einzelnen Richtungen
zu ziehen. Sogar zwischen den „Positiven“ und „Liberalen“" überhaupt sind die
Grenzen längst fließend. Zudem läßt sich nicht leugnen, daß neuerdings auf der äußersten
Linken ein Nadikalismus hervorgetreten ist, der der monistischen Weltanschauung näher
steht als der christlichen. IZmmer zahlreicher werden die Theologen, die auf dieser Grenz-
linie balancieren. Sie werden zu einer Gefahr für den Bestand der Landeskirche. Denn
ihnen gegenüber wird die Frage immer unvermeidlicher, ob das, was sie nicht bloß
vertreten, sondern als bewußte Reformer, wenn nicht gar Reformatoren, mit Leidenschaft
propagieren, überhaupt noch Christentum ist.
Die Tatsache, die sich bereits vollzogen hat, ist diese: Im letzten Menschenalter hat sich
die Glaubens- und Erkenntniseinheit, auf der die Bekenntniskirchen in ihrer historischen
Gestalt beruhten, völlig aufgelöst. In der dadurch verursachten inneren geistigen Zerrissen-
heit und Schwäche liegt die Erfolglosigkeit des Kampfes der Kirche gegen die allgemeine
Unkirchlichkeit begründet.
Auflösung der Lehreinheit. Die Auflösung der Glaubens-, Erkenntnis-
und Lehreinheit in der evangelischen Kirche,
also die vollzogene Aufhebung der Bekenntniskirche im altprotestantischen Sinne ist eine
Tatsache von ungeheurer Bedeutung und Tragweite. In Kombination mit der
anderen Tatsache der allgemeinen Entkirchlichung, bildet sie geradezu das
Problem der evangelischen Kirchenfrage.
Ehe wir darauf eingehen, ist die Frage zu beantworten, wie es zu dieser innerkirch-
lichen Katastrophe gekommen ist.
Diese Frage ist eine wesentlich theologische.
Die Ursache der Krifis in der theo- Denn die Auflösung der Bekenntnis-
einheit in der evangelischen Kirche ist in
allererster Linie eine Folgeerscheinung der
Entwicklung der wissenschaftlichen Theologie im 19. Jahrhundert. In den theologischen
logischen Entwicklung zu suchen.
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