28 Oie evangelische Kirche und Theologie. VIII. Buch.
seine Fassung und Begründung, worum man stritt. Es war zudem der Kantianismus,
gegen den der theologische NRealismus der Altgläubigen sich erhob. Und doch gehört gerade
die Fruktifizierung des Kritizismus für die Theologie mit zu den größten Verdiensten der
Kütschlschen Theologie. Denn erst seitdem die theologische Spstematik mit Kant in Be-
rührung gekommen ist, und soweit dieses geschah, ist sie methodisch geworden. Auch
den Schülern und Fortsetzern der Erlanger Theologie hat die Kantsche Philosophie zum
wenigsten zur methodischen Selbstbesinnung gedient, wenngleich es bei den meisten unter
ihnen bei dieser rein negativen Anregung verblieben ist. Ubrigens gilt es auch von der
Erlanger, speziell von der Theologie Franks, daß sie in den achtziger Zahren auf dem
Höhepunkt ihrer Bedeutung stand. Trotz ihres stark konservativen Zuges läßt sich doch
nicht verkennen, daß sich bereits von Hofmann her in ihr eine bewußte und entschlossene
Umwandlung vom Traditionalismus der Orthodoxie zur modernen MWissenschaftlichkeit
vollzog. Schließlich ist dieselbe Tendemnz wie bei Ritschl in ihr wirksam, wenn auch in
anderen Formen, nämlich die Wendung von dem starren Objektioismus der Orthodoxie
zu dem modernen Subjektivitätsprinzip. Ohne Subjektivität keine Objektivität!
Das war die große fruchtbare These der Erlanger „Erfahrungstheorie“. Diese Wendung
zum Subjekt ward zwar von Ritschl kritischer, aber von Frank weit energischer vollzogen.
Hier war Schleiermacher der Redivivus. Darum war es nicht zu verwundern, daß
der Subjektivismus, den Frank Ritschl vorwarf, ihm selbst von seiten der Orthodozie
vorgeworfen wurde. Es war wirklich eine neue „Weise alte Wahrheit zu lehren“, die
durch Hofmann und Frank in den Kreisen zur Geltung kam, die die Orthodoxzie bei der
Verbalinspiration festzuhalten hofften.
Weiterentwicklung des Ritschlianismus. Es waren sowohl wissenschaftlich wie
religiös-kirchlich starke, fruchtbare und
charaktervolle Positionen, die Frank und Ritschl gegeneinander vertraten. Aber ein einfaches
Stehenbleiben war nicht einmal ihren nächsten Schülern möglich. Die Theologie Ritschls
enthielt ähnlich wie diejenige Schleiermachers, sehr verschiedenartige, sa entgegengesetzte
Motive. Das zeigt ihre Weiterentwicklung, die bier nicht im einzelnen verfolgt werden
kann. Einige seiner Schüler betonten stärker den biblizistischen Zug und entwickelten
sich weiter nach rechts. Auch die von dem Meister schroff abgelehnte Mpstik kam wieder
hinein. Andere verfolgten mehr die fubje ktiv-erkenntnistheoretische Richtung,
unter ihnen solche, die die „Metaphysik in der Theologie" wieder zu Ehren brachten, freilich
eine gegenüber der Erlanger Theologie wesentlich reduzierte. Ihre stärkste ethische Durch-
dringung, religiöse Verinnerlichung, erkenntniskritische Reinigung empfing die Theologie
Ritschls durch den originellsten seiner Schüler, W. Herrmann, besonders durch ener-
gischen Rückgang auf Schleiermacher.
Weiterbildung der Frankschen Auch die Franksche Theologie wies trotz ihrer
anscheinenden Geschlossenheit über sich hin-
aus und wurde in mannigfaltiger Weise fort-
gebildet. Dabei zeigte sich die Notwendigkeit einer grundleglichen Revision und Neu-
Theologie.
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