40 Oie evangelische Kirche und Theologie. VIII. Buch.
in der Selbstbesinnung auf die tiefsten Grundlagen des Lebens die Kraft und Konzen-
tration aufträgt, um die durch die christliche Offenbarung, durch das Evangelium Christi
und von Christo in der Geschichte als Erlösung eingetretene höchste geistig-göttliche Wirk-
lichkeit vom neuem in ihrer ganzen Tiefe und Macht zu erleben und aus diesem Er-
leben heraus eine neue unerschütterliche Grundlage für das geistige Leben unseres
Volkes zu gewinnen. Dieses Streben unterscheidet sich nicht mur von dem sentimentalen
Spiel mit religiösen Stimmungen, sondern auch von dem schnell fertigen und bequemen
RKezept einer bloß repristinierenden Orthodoxie. Hier liegt die denkbar ernsteste Aufgabe
vor: die transzendenten Lebenswerte des Christentums, befreit von der Zufälligkeit ihrer
zeitgeschichtlichen Umhüllung, in einer umfassenden Welt- und Lebensauffassung dem
Geschlechte der Gegenwart so eindrücklich zu machen, daß ein neues tiefes Leben ent-
stehen kann.
Eine ganze Literatur, unter der die Euckenschen Schriften führend hervorragen,
ist im Entstehen begriffen, durch die sich in bewußter Weise eine neue lebendige Ver-
bindung zwischen dem neuen Idealismus und dem geschichtlichen Christentum anbahnt.
Es ist aber für den Beobachter des gegenwärtigen geistigen Lebens ganz gewiß, daß
sich dieselbe Verbindung in unbewußter Weise in zahlreichen tiefen Gemütern heutzu-
tage vollzieht. Die neue Kombination, die gegenwärtig philosophisch-theologisch heraus-
gearbeitet wird, ist darum nicht künstlich gemacht, sondern nur die gedankliche Gestal-
tung eines tiefen Erlebens, das die Besten unserer Zeitgenossen ergriffen hat.
Gewiß ist das, was ich Hier theoretisch und praktisch gestalten will, noch im ersten
Werden begriffen und darum noch vielfach ungeklärt und unfertig. Aber wir verstehen
unsere Zeit überhaupt nur, wenn wir sie als Ubergangszeit verstehen. Unter diesem
Gesichtspunkte aber muß auch die werdende Frömmigkeit gewertet werden, wenn ihre
Bedeutung für die Zukunft nicht verkannt werden soll.
Heutige Bedeutung Eines der deutlichsten Spmptome für das neue religiöse
der Gestalt Fefu. Werden ist die staunenswerte intensive und extensive Be-
schäftigung unserer Zeit mit der Gestalt Lesu. Eine
Fessliteratur, wie sie keine Zeit aufzuweisen hat, liegt vor uns. So wunderlich und
mannigfaltig sich auch sein Bild in den so unendlich verschiedenen Köpfen derer spiegelt,
die von allen möglichen Lebensgebieten und Seelenverfassungen aus sich mit ihm aus-
einandersetzen müssen, — die außerordentliche Rolle, welche seine Person seit einigen
Zahrzehnten in der Gedankenwelt der geistig Lebendigen unter uns zu spielen beginnt,
drängt sich nur um so stärker auf. Alles, was gegenwärtig in der Philosophie nach neuer
Lebensanschauung, in der Dichtung nach neuer Lebensgestaltung, in der Sozialpolitik
nach neuer Lebensordnung ringt, fühlt sich gedrungen, zur Persönlichkeit Fesu Stellung
zu nehmen. Wir stehen in den Anfängen einer neuen Periode von Zesuswirkungen
umfassender Art.
« Nichtzumwenigstenmachtsichdasbeidetsus
d.
Stellungnahme der Zugen gend bemerkbar, Hier hat Empfänglichkeit, Sinm
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