VIIl. Such. Die kathollsche Kirche. 604
eine andere Frage gelöst, zu welcher das seit Jahrhunderten geübte Protektoratsrecht
Frankreichs über kirchliche Institutionen des nahen und fernen Orients den
Anlaß gab. Nunmehr wollte das Reich selbst diesen Schutz über seine Angehörigen im
Auslande üben. Schon im Jahre 1890 hatte der Missionsbischof Anzer in Schantung
seine sämtlichen Missionen unter den Schutz des deutschen Gesandten in Peking gestellt,
und demzufolge hatte Wilhelm llI. nach der Niedermetzelung christlicher Missionare (1897)
Genugtuung gefordert und erhalten. Auch sonst wandte der Kaiser den Missionen seine
Gunst und Sorgfalt zu. Geistliche, die sich um die deutschen Interessen im fernen Osten
verdient gemacht, wurden ausgezeichnet; so P. Scherer, der sich in Schanghai um die
Seelsorge der katholischen Soldaten bemüht hatte, und der Zesuit Froc von der
meteorologischen Station in Zikawei, der durch seine Taifunwarnungen die deutsche
Marine vor manchen Gefahren bewahrt hatte. Daß dem Kaiser die Missionen in den
deutschen Kolonien besonders am Herzen liegen, ist begreiflich. Mit Nachdruck wies er
bei gegebener Gelegenheit darauf hin, wie wichtig es sei, die wilden Stämme nicht
nur zur Religion, sondern auch zur Arbeit zu erziehen. Die Bedeutung des deutschen
Protektorats über die Missionen auch in nicht deutschen Gebieten leuchtet ohne weiteres
ein; die deutschen Missionäre erfreuen sich einer viel größeren Sicherheit, können mit
ganz anderer Zuversicht und darum auch mit weit besserem Erfolge arbeiten, wenn sie
unter dem Schutz des deutschen Namens stehen, als wenn sie Stiefkinder einer fremden
Macht sind, und die Achtung vor dem Deutschtum wird den Bekehrten mit der
Keligion beigebracht. So haben denn auch die Missionen in letzter Zeit einen ge-
waltigen Aufschwung genommen.
Preuß. Gesandtschaft beim Vatikan. In der Kontroverse über das Protektorat
der Katholiken im Orient (1898) war in-
folge der stark zu Frankreich neigenden Haltung von Leos XIII. Staatssekretär Ram-
polla eine vorübergehende Verstimmung zwischen Berlin und Rom entstanden. Dies gab
Anlaß zu der Frage, ob man die preußische Gesandtschaft beim Vatikan nach der
Abberufung des Herrn v. Bülow nicht ganz eingehen lassen solle. Die Behandlung dieser
Frage ließ erkennen, wer aus der Geschichte etwas gelernt hatte, wer nicht. Erfreulicher-
weise gehörte die Regierung zur ersteren Klasse und hielt am Fortbestande der Gesandt-
schaft fest trotz vielen Stimmen, welche energisch deren Auflassung forderten. Mit Recht;
denn daß es unklug wäre, bei einer geistigen Macht, wie es das Papsttum ist, andere
Mächte ihren Einfluß üben zu lassen und auf den eigenen zu verzichten, kann nur kon-
fessionelle Voreingenommenheit verkennen. Wie wirksam sich auch moralische Mächte
erweisen können, hatte gerade der Kulturkampf jedem gezeigt, der Augen hat zu sehen.
Auch durfte schon um deswillen die römische Gesandtschaft nicht aufgehoben werden,
weil die damals noch sehr rege Empfindlichkeit der Katholiken dadurch als durch eine
Beleidigung ihres Oberhauptes sich hätte verletzt fühlen müssen. Es war die UÜberzeugung
weiter katholischer Kreise, daß nicht zuletzt der Widerstand des Kaisers eine so schädliche
Maßregel verhindert habe. Die Dankbarkeit und das Vertrauen, zu denen der Monarch
schon soviel Ursache gegeben, wurde dadurch noch gesteigert.
1033