VIII. Buch. Die katholische Kirche. 79
die ausnahmslos an Universitäten gebilbet und zumeist auch dem Lehramt an diesen
vollauf gewachsen sein dürften. Die Zufriedenheit der Katholiken mit der Vorsorge
für ihre Priesterbilbung zeigt sich auch in der Tatsache, daß der vor fünfzig Jahren so
„Freie katholische Universitäten“. laut und so heftig erhobene Ruf nach einer
sog. freien katholischen Universität völlig
verstummt ist. Einsichtige Männer, so nicht nur der kluge Dogmatiker Joh. Kuhn in
Tübingen, sondern auch der streng römisch gesinnte Würzburger Kirchenhistoriker und
spätere Kardinal Hergenröther hatten von Anfang an das Problematische eines solchen
Unternehmens betont, waren aber dafür von ihren mehr eifrigen als sachkundigen Glau-
bensgenossen hart angelassen worden. Inzwischen haben die mit den katholischen Uni-
versitäten in London und Oublin, teilweise auch mit der von Freiburg i. Schw. und
dem Institut catholique in Paris gemachten Erfahrungen jene Bedenken bestätigt.
Wo die starke Hand einer den Dingen auf den Grund gehenden, nach objektiven und blei-
benden Normen entscheidenden, wohlwollenden Regierung waltet, wird viel eher für
stetige wissenschaftliche Arbeit und Bewegungsfreiheit gesorgt sein, als durch ein in seiner
Zusammensetzung wechselndes, zuviel von äußeren Einflüssen abhängiges Kuratorium
oder Komitee. Die sog. freien Institute schweben in steter Gefahr, indem böser Wille
oder Unverstand heute durch übelwollende, falsche Berichte die kirchliche Autorität gegen
sie scharf machen, morgen den noch gefährlicheren Eifer des „katholischen Volkes“ gegen
sie hetzen kann. Es ist viel besser für die Kirche wie für den Staat, daß die Katho-
liken den ihrer Zahl und ihren wissenschaftlichen Leistungen entsprechenden Anteil an
den bestehenden staatlichen Hochschulen zu gewinnen suchen, als daß eine für beide Teile-
schädliche itio in partes die gegenseitige Entfremdung steigere, statt sie zu beseitigen.
Ein jetzt verstorbener hoher Kirchenfürst, der ehemals im akademischen Leben gestanden,
hat denn auch öfters auf die Vorteile hingewiesen, die der katholischen Wissenschaft aus
dem Patronat des „gottlosen Staates“ erwachsen.
Dank dieser Vorsorge, dank der Rivalität mit dem Prote-
Wissenschaft. stantismus und den von diesem ausgehenden Anregungen
— ist die katholische Theologie Deutschlands, trotz den ge-
schilderten enormen Schwierigkeiten, Fahrzehnte hindurch die Führerin auch für die
rein katholischen romanischen Länder geworden, deren theologische Wissenschaft sich
lange fast ganz auf die den heutigen Bedürfnissen einfach nicht mehr genügende Scho-
lastik beschränkte. Dies zeigte sich besonders auf dem freilich nur einige Male tagen-
den, vergeblich nochmals nach Rom aufs Jahr 1903 anberaumten internationalen
katholischen Gelehrtenkongreß, auf dem das deutsche Element, nicht zum Nach-
teil des Ganzen, eine hervorragende Rolle gespielt hat, wie denn im deutschen
Katholizismus überhaupt, seitdem die ersten Nachwehen des Kulturkampfes und die
durch das Vatikanum verursachte Erregung und Einschüchterung überwunden sind,
ein wissenschaftliches Leben sich rührt, das in ganz katholischen Ländern seinesgleichen
nicht hat. Wenn die deutschen Katholiken die Universitäten, die sie im alten Reiche
besessen, verloren hatten; wenn die Gelehrtenakademien von St. Blasien im Schwarz-
Leistungen der kath.
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