VIII. Buch. Die katholische Kirche. 81
Aachbarlandes ebenso wie die italienische sich protestantischen Einflũssen, namentlich der
Kantschen Philosophie, in weit stärkerem Maße zugänglich gezeigt, als die durch den
beständigen Umgang mit der andersgläubigen Rivalin kritischer und selbständiger ge-
wordene deutsche. Die römischen Kongregationen des Indezx und der Inquisition wurden
in den letzten zwei Dezennien ungleich mehr von romanischen als von deutschen Theo-
logen in Arbeit gesetzt. Auch der sog. Modernismus machte sich bei letzteren weit weniger
als bei ersteren geltend. Es war darum auch in dieser Hinsicht wohlbegründet, wenn in
Deutschland staatliche und kirchliche Faktoren tätig waren, um wenigstens den an staat-
lichen Hochschulen wirkenden Theologen von der Verpflichtung zum Anti-Modernisten-
eid, dessen Ablegung ihnen von den Kollegen weltlicher Fakultäten als capitis deminutio
gedeutet worden wäre, in Rom DOispense zu erwirken. Zu der oft bewährten Einsicht
der deutschen Regierungen, die ihr Urteil mehr aus den realen Verhältnissen als
aus theoretischen Konstruktionen schöpfen, und ihrem verständnisvollen Zusammen-
wirken mit dem Episkopate darf man denn auch das Zutrauen hegen, daß es gelingen
wird, die immer noch nachzitternde Aufregung zu beruhigen und eine weitere Schädigung
der katholischen Wissenschaft wie eine Mehrung der konfessionellen Mißverständnisse zu
verhindern.
Katholische Philosophen Neben den theologischen Fakultäten zeigt sich die
und Ssstoriker. Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Minorität in
der Anstellung von Vertretern der katholischen
Weltanschauung in Philosophie und Geschichte an den philosophischen
Fakultäten jener Hochschulen, an denen katholische Theologen ihre Studien machen.
Zeitweilig heftig angefochten, werden solche „konfessionelle“ Professuren, die bei der nun
einmal bestehenden religiösen Spaltung unentbehrlich sind, sich um so sicherer behaupten,
je tüchtiger ihre Inhaber in dem von ihnen zu vertretenden Fache sind. Denn die oft gehörte
Behauptung, daß ein Katholik, möge er noch so bedeutende Leistungen aufzuweisen haben,
bei den Anhängern der liberalen Weltanschauung niemals Anerkennung finde, ist in ihrer
Allgemeinheit durch zahlreiche Tatsachen, durch die rückhaltlose Schätzung katholischer Histo-
riker und Philosophen seitens ihrer andersgläubigen Fach- und Fakultätsgenossen, immer
unhaltbarer geworden. Uberhaupt ist es eine in hohem Grade erfreuliche Erscheinung,
Wissenschaft und daß die Wissenschaft in zahlreichen Fällen
konfessionelle Verständigung. die Brücke wie über nationale, so über kon-
fessionelle und Weltanschauungsgegen-
sätze bildet. Die Theologie macht hiervon keine Ausnahme. Vielleicht niemals seit
der Aufklärungsära haben so viele freundschaftliche Beziehungen zwischen Theologen
der verschiedenen Konfessionen bestanden wie heute, ohne daß darum, wie Mißgünstige
gerne glauben machen möchten, dem Standpunkte auch nur das Geringste vergeben
würde, vergeben zu werden brauchte. Eine Vereinigung der christlichen Konfessionen
könnte heute nur ein Ideologe erhoffen. Es ist nicht einmal sicher, ob sie unbedingt
wünschenswert wäre. Soviele Übel die konfessionelle Spaltung auch im Gefolge hatte,
ein Gutes hat sie doch auch: sie hat uns vor der Stagnation bewahrt, der die im Glauben
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