IX. Buch. Oie Universitäten. 7
Die Professoren.
Besetzung der Lehrstühle. In dem ungestörten Frieden eines Bierteljahrhunderts
haben die akademischen Lehrer, vom Staat geschützt
und gefördert, ihre Saaten ausstreuen und dem Staat ein neues Geschlecht von
Theologen, Nichtern, Arzten, Lehrern geben können. Die beiden Grundpfeiler der
Universität, Freiheit der Forschung und der Lehre und Selbstverwaltung, stehen
unerschüttert. Bisweilen ruft die Neubesetzung der Lehrstühle zwischen den
Fakultäten und der vorgesetzten Behörde Meinungsverschiedenheiten hervor, die in
wichtigeren Fällen auch ihren Weg in die Offentlichkeit finden. Solche Differenzen ent-
springen dem Bewußtsein, daß den Universitäten, wenn auch nicht formell, so doch
traditionell die gleiche Verantwortlichkeit für die Auswahl der Lehrer und Führer der
Zugend obliege, wie der vorgeordneten Instanz. Die Empfindung, daß eine Nicht-
berücksichtigung ihres staatlich anerkannten und eingegliederten Organismus für sie eine
Verletzung dieses Organismus bedeute, ist als Ausfluß eines über Rechte und Pflichten
eifersüchtig wachenden Ehrgefühls trotz gelegentlicher Irrtümer hoch zu bewerten. Die
richtige Besetzung der Lehrstühle ist eine schwierige Sache. Examina entscheiden nicht
und könmen nicht entscheiden. Es ist möglich, daß das Ministerium eine geeignetere Wahl
trifft als die Fakultät vorgeschlagen hat. Es ist aber auch möglich, daß es dabei eine
weniger glückliche Hand zeigt, ja es mag sein, daß beide, Fakultät und Ministerium, sich
manchmal gemeinsam irren; im ersten Falle werden die Wellen sich schnell beruhigen,
wenn tägliche Beobachtung die Wahl des neuen Amtegenossen als richtig erweist; im
zweiten Falle wird jede Klage eines Studierenden, jeder Fehler des Entsendeten zu
neuen Betrachtungen Anlaß geben und alte Wunden aufreißen.
Die Unabhängigkeit der Professoren ist durch die materielle Besser- und
Sicherstellung erheblich verstärkt worden.
Richt nur, daß die Fonds zur Erhöhung der Gehälter vermehrt worden sind; höher
ist die Einführung regelmäßiger Gehaltssätze und das Aufrücken von Stufe zu Stufe
zu veranschlagen, das dem einzelnen eine von jeder scheinbaren Willkür oder Bitte un-
abhängige Sicherung seiner Lage gewährt. Die mit dieser Besserstellung verbundene
Verkürzung besonders hoher Kollegienhonorare war, wie wohl manchen Anfechtungen
ausgesetzt, durch die ausgleichende Gerechtigkeit, wie durch die Tatsache gerechtfertigt,
daß die Höhe der Kollegiengelder in vielen Fällen weniger von der wirklichen Tüchtig-
keit oder Anziehungskraft des Dozenten als von äußeren Umständen, Mitgliedschaft
der Prüfungskommission, Beliebtheit der Universitätsstadt und der privilegierten Stellung
selbst abhängt. Ein gänzlicher Wegfall der Kollegiengelder würde aber einen so großen
Eingriff in die Eigenheit des akademischen Lebens bedeuten, daß davon ernste Gefahren
für die Stellung der akademischen Lehrer, namentlich nach ihrer materiellen Seite hin,
zu befürchten wären. Dieser gesicherten Unabhängigkeit der Professoren gegenüber be-
deutet es keinen erheblichen Nachteil, wenn ihr Titel, der lange Zeit nur durch literarische
Arbeit gewonnen werden konnte und durch sie sein Ansehen empfing, jetzt als Alters-
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