Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
IX. Buch. Die technischen Hochschulen. 19 
  
besondere praktische Aufgabe zugeschnitten sein kann, daß der Studierende vor allem 
um der theoretischen Befriedigung willen, aber auch um sich zukünftige praktische Ver- 
wendbarkeit nach verschiedenen Richtungen zu sichern, auf eine gewisse Bielseitigkeit des 
geistigen Interesses nicht verzichten sollte, und daß es, selbst wenn die fachliche Teilung 
sehr weit getrieben würde, doch nicht möglich wäre, sich auf eine besondere praktische 
Aufgabe, wie sie der Staatsdienst oder die Industrie stellt, ohne diese besondere Prazis 
auf der Hochschule allein einzuarbeiten. So ist denn das Ergebnis vielfacher Er- 
wägungen, daß es bei der alten Vierteilung der technischen Hochschulen blieb, und 
entweder diesen vier Abteilungen die neu erforderlichen Studienzweige angegliedert 
wurden oder nur bei den Prüfungen eine beschränkte Wahlfreiheit der Prüfungsfächer 
den Studierenden zusteht. 
Umgestaltung der Unterrichtsmittel. Aber auch der technischen Dingen Fer- 
« nerstehende erkennt, welche mannig- 
Technische Laboratorien. fache Umarbeitung in den vorhande- 
nen Unterrichtsmitteln und UAnterrichtskräften erforderlich war, um den andrängen- 
den neuen Aufgaben gewachsen zu bleiben. Was ist in diesen 25 Jahren nicht 
umgestaltet worden in der deutschen Technik und demgemäß in den technischen 
Hochschulen! Der Hochbau stand unter dem Einflusse eines neuen künstlerischen 
Strebens, eine neue Baukunst mit neuen Baustoffen und neuen, von Volks- 
kunde und Heimatkunst genährten, ästhetischen Anschauungen verdrängte mit fast 
jugendlichem Ungestüm den Baustil der vergangenen Jahrzehnte. Der Ingenieurbau 
stand auf der ganzen Linie des Wasser-, Straßen-, Brücken-, städtischen Tiefbaues unter 
dem Zeichen des Betons, ebenso wie des beispiellos gestiegenen öffentlichen Verkehrs 
neuen Aufgaben gegenüber. Das Maschinenwesen gestaltete seine Betriebsweise um 
unter dem Einflusse der elektrischen Kraftübertragung; erhöhte Präzision und gesteigerte 
Wirkungsgrade wurden von ihm gefordert, neue Motoren, Werkzeuge und Werkzeug- 
maschinen drängten sich heran. Die technische Chemie wurde tief innerlich durch die 
wissenschaftliche Entwickelung der phpsikalischen Chemie und die Elektrotechnik umge- 
staltet, und wie die anderen Zweige der Technik alle vom Wettstreit mit dem Auslande 
vor immer neue und technisch wie wirtschaftlich verfeinerte Aufgaben gestellt, galt es 
doch vor allem auf diesem Gebiete Deutschlands Weltstellung zu wahren. 
Am auffälligsten tritt diese innere, den praktischen Aufgaben folgende Umgestaltung 
des Hochschulbetriebes äußerlich hervor in den Neubauten für technische Labora- 
torien, die während der letzten 25 Jahre sich finanziell recht merklich machten. Vor 
25 Jahren sah eine technische Hochschule rein äußerlich anders aus wie heute, sie stellte 
sich als ein Studiengebäude dar, neben dem allenfalls noch, meist als nachträgliche Er- 
weiterungen, ein paar Gebäude für die chemischen Laboratorien und das physikalische 
Institut errichtet worden waren. Heute ist eine technische Hochschule eine Gesamtheit 
von Gebäuden, die, sehr verschiedenen Zwecken dienend, sehr verschieden ausgestaltet 
werden mußten. Oo ist ein elektrotechnisches, ein elektrochemisches Institut zu den alten 
Anlagen hinzugekommen, Maschinenlaboratorien verschiedener Art, Institute für Prü- 
  
  
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