Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
I. Buch. Handelsochschulen. 27 
  
Auch die Frauenfrage ist an den Handelshochschulen aktuell 
geworden. 
Die Berliner Handelshochschule hat von vornherein Handelsschullehrerinnen und 
solchen seminaristisch vorgebildeten Lehrerinnen, welche die zweite Lehramtsprüfung 
überstanden haben, den Besuch der Handelshochschule gestattet. In Köln ist durch Mini- 
sterialerlaß vom 7. Februar 1907 die Zulassung von Damen an der Handelshochschule 
gestattet worden. Uber die Zulassung von Damen entscheidet der Immatrikulations- 
ausschuß in jedem einzelnen Falle auf Grund der eingereichten Zeugnisse. Bedingung 
für die Zulassung ist eine Vorbildung, die der von den männlichen Studierenden ge- 
forderten gleichwertig erachtet wird. 
Frauenfrage. 
  
Der Studienplan ist bei allen Handelshochschulen auf vier Se- 
mester berechnet. Es machen sich Bestrebungen geltend, die Dauer 
des Studiums zu verlängern. Gegen eine derartige Verlängerung muß Stellung ge- 
nommen werden, denn bei der Eigenart der Handelshochschulen kann es sich gar nicht 
darum handeln, in ähnlicher Weise wie der Zurist oder der Mediziner einen gewissen 
Abschluß des Studiums erhält, dem Kaufmann einen Befähigungsnachweis zu liefern, 
daß er nun Kaufmann sei, sondern es kann sich nur darum handeln, auf den verschie- 
densten Gebieten dem Kaufmann MWissensstoff zuzuführen, seinen Geist zu schulen, auf 
daß er sich selbständig weiterzubilden in der Lage ist. Wenn jemand zwei Jahre sich aus 
der praktischen Arbeit loelöst, so ist das lange genug, und es kann nicht empfohlen 
werden, diese Zeit noch zu verlängern. 
Nur für Studierende, welche die Handelslehrerprüfung bestehen wollen, ist eine 
Studienzeit von fünf Semestern vorgeschrieben, was sich durch die Notwendigkeit tieferer 
pädagogischer Ausbildung rechtfertigt. 
Der Lehrplan an den deutschen Handelshochschulen zeigt im allgemeinen Über- 
einstimmung in bezug auf die Hauptfächer, wenngleich in bezug auf die Behandlung 
der einzelnen Fächer verschiedene Auffassungen bestehen. An allen Handelshochschulen 
werden folgende Hauptgegenstände gelehrt: Volkswirtschaft, Rechtslehre, Handels- 
wissenschaften, Handelsgeschichte und Geographie, Warenkunde, Physik, Chemie, Sprachen 
und allgemeine Geisteswissenschaften. Welches Gebiet in den Mittelpunkt des Lehr- 
planes gestellt wird, hängt im einzelnen von der Zusammensetzung des Lehrkollegiums 
ab. Naturgemäß überwog zunächst das Bestreben, der Volkswirtschaft oder Rechts- 
wissenschaft die leitende Stelle zu geben. Bereits auf dem Wiesbadener Kongreß des 
Verbandes für kaufmännisches Unterrichtswesen im September 1905 habe ich dem Ge- 
danken Ausdruck gegeben, daß die Gründung von Handelshochschulen nicht nötig ge- 
wesen wäre, wenn man nur neue volkswirtschaftliche und juristische Fakultäten habe schaffen 
wollen. Worauf es ankomme, sei, die Handelswissenschaften in den Vorder- 
grund zu stellen, wozu allerdings volkswirtschaftlich und juristisch vorgebildete Handels- 
techniker gehörten. 
Die Berliner Handelshochschule ist die erste, welche bewußt dazu übergegangen 
ist, die Handelswissenschaft in den Mittelpunkt des Unterrichts zu stellen. Meines Er- 
Studienplan. 
  
  
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