IX. Buch. Das hoͤhere Schulwesen. 37
entgegengearbeitet werden. Und schon war auch Sorge getragen, die Ausbildung derer, die
sich diesem Berufe widmeten, zu fördern. Die im Zahre 1887 erlassene Prüfungsordnung
suchte gegenüber dem früheren Reglement eine sachgemäßere Abgrenzung der Forderungen,
immer noch in drei Stufen der Lehrbefähigung, durchzuführen. An sie schloß sich 1890, noch
vor Zusammentritt der Dezemberkonferenz, eine wichtige Neuerung:die Zeit der praktischen
Ausbildung — bisher nur das „Probejahr“ — wurde verdoppelt. In einer größeren, nach
Bedarf zu vermehrenden Zahl pädagogischer Seminare sollten alle angehenden Lehrer
eine gründliche und sorgsame Anleitung erhalten, so daß sie dann schon einigermaßen
gerüftet in das Probejahr einträten, um sich an selbständigeren Aufgaben zu versuchen.
Die Einrichtung dieser pädagogischen Seminare, zunächst mit manchen Mängeln behaftet
und immer wieder der Vervollkommnung fähig, hat sich doch, aus der ursprünglichen
Absicht heraus, vortrefflich entwickelt, indem sie den Jüngeren einen festen Anhalt zur
Einarbeitung gab, den Alteren vielfache Anregung zu bewußterem Tun und vertiefter
Berufsauffassung. — Daß den erhöhten Anforderungen, die an den Lehrer gestellt wur-
den, auch ein besserer materieller Lohn seiner Arbeit und ein etwas sichtbarerer Anteil
an den Ehren, die der Staat zu verteilen hat, entsprechen solle, hatte Seine Majestät
ausdrücklich erklärt. Der Allerhöchsten Initiative verdankte so der höhere-Lehrerstand
neben einer Umngestaltung seiner Titel- und Rangverhältnisse den Normaletat von 1892,
der ganz neue Grundsätze der Besoldung und Beförderung aufstellte und für die Ge-
samtheit eine wesentliche Verbesserung der Lage, vielen einzelnen einen lang entbehrten
Aufstieg in der Lebenshaltung brachte.
Die Mädchenschulen in früherer Zeit. II. Die feste Einordnung des höheren
Schulwesens in den Zusammenhang
staatlicher Ansprüche und Wirkungen, die für die männliche Zugend seit der Zeit der Frei-
heitskriege erfolgt war, wurde für die weibliche sehr viel später erreicht, auch viel später
begehrt. Während der beiden ersten Drittel des Jahrhunderts führten die höheren Mäd-
chenschulen eine Art von Stilleben; die Erziehung der künftigen Frauen und Mütter
blieb, soweit sie nicht ohnehin Sache des Hauses war, auch in der Schule fast ganz der
privaten Tätigkeit, meist unter weiblicher Leitung, überlassen. Die erste entschiedene
Kundgebung für straffere Organisation ging von einer Versammlung aus, die im Ser-
tember 1872 in Weimar tagte. Hier wünschte man: deutliche Sonderung von den Zwi-
schenformen, die zur Bürgerschule hinüberführten, Zuweisung der anerkannten höheren
Mädchenschulen an dieselben Aufsichtsbehörden, denen die Gymnasien und Realschulen
unterstünden, Einführung eines für alle Schulen verbindlichen Lehrplanes. Im Aluf-
trage der Bersammlung wurde eine ODenkschrift verfaßt, um die Richtung anzugeben,
die man bei Auswahl und Abgrenzung des Lehrstoffes einzuhalten dachte. Die weibliche
Bildung sollte der Geistesbildung des Mannes ebenbürtig werden, hauptsächlich doch zu
dem Zwecke, daß die Frau mit Verständnis und lebendigem Gefühl die höheren Interessen
des Mannes begleiten könne. Oiese Denkschrift wurde den deutschen Staatsregierungen
überreicht und fand vielfache Beachtung. Was in Preußen von Amts wegen geschah,
bewegte sich zwar zuerst (1873) auf der vorgezeichneten Bahn, führte aber nicht weiter
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