IX. Buch. Das Höhere Schulwesen. - 41
mit Lebhaftigkeit ergriff (1892). Den feinsinnigen Freund der Antike machte es nicht
irre, daß der gemeinsame lateinlose Unterbau von einer mächtigen schulpolitischen Partei
zu dem ausgesprochenen Zwecke gefordert wurde, den alten Sprachen ihren grundlegen-
den Anteil an der Bildungsarbeit zu nehmen; er hoffte, den Verlust an Zeit (Latein
mußte in sechs, Griechisch in vier Jahre zusammengedrängt werden) durch um so gründ-
lichere Behandlung auf der Mittel- und Oberstufe reichlich wieder einzubringen. Im-
Zusammenarbeiten mit einem auserlesenen Kollegium ist ihm das bei den intelligenten
und eifrigen Schülern der Großstadt in der Tat gelungen. Der geänderte Lehrplan er-
forderte neue Verteilung der Stoffe, neue Wege des Unterrichts; diese mußten erdacht
und erprobt werden, und solcher Zwang ward ein Sporn für Tatkraft und Erfindsamkeit.
Allgemeines Interesse wandte sich dem Frankfurter Betriebe zu; es schien, als sei hier
wirklich die Lösung des Sätsels gefunden, das Mittel, allen begründeten Ansprüchen im
Rahmen einer einheitlichen, alle Schulen der Monarchie umfassenden Organisation gerecht
zu werden.
Zuni-Konferenz 1900. In dieser Lage war es von großer Bedeutung, daß da-
mals der Leiter des höheren Unterrichtswesens in Preußen
ein Mann von klarem Blick und ruhigem Urteil war. Bei aller Schätzung des Ver-
dienstes der Männer, die in Frankfurt so Schönes leisteten, blieb es ihm doch nicht
verborgen, daß der Erfolg zum guten Teil auf Rechnung außerordentlicher Umstände
zu setzen und daß es mehr als zweifelhaft war, ob sich mit durchschnittlichen Lehr-
kräften und Lernkräften überall dasselbe oder nur ähnliches werde erreichen lassen. Zu
einer ernstlichen Gefährdung aber des gymnasialen Bildungselements wollte Althoff
nicht die Hand bieten. — Um eine solche handelte es sich im Frühjahr 1900. Latein
sollte aufs neue eingeschränkt, Griechisch allgemein bis Untersekunda hinaufgeschoben,
und auch in den vier oberen Klassen nur als fakultatives Fach beibehalten werden. Nach
reiflicher Erwägung verwarf er diese Pläne. Dazu hatte es wohl beigetragen, daß man
ihnen in Süddeutschland wie in Sachsen entschieden abgeneigt war. Auch die Universi-
täten hielten sich diesmal weniger als 1890 zurück; an der neuen Schulkonferenz, die im
Juni 1900 in Berlin versammelt war, nahmen Feliz Klein, Adolf Harnack, Ulrich von
Wilamowitz-Moellendorff hervorragenden Anteil, indem sie mit sicheren Schritten auf
der Bahn vorangingen, in die Althoff die Verhandlung zu lenken suchte. Oskar Zäger
selbst, im Einverständnis mit einem großen Kreise von Gymnasialmännern, stimmte
dafür, das „Bildungsmonopol“ preiszugeben und dafür den Charakter des Gymnasiums
wieder kräftiger auszuprägen. Der Wunsch nach deutlicher Differenzierung der Bildungs-
wege, mit dem Kaiser Wilhelm die erste Konferenz eröffnet hatte, fand jetzt überall ein
gereiftes Verständnis. In freiem Wettkampf mochte sich herausstellen, welche Art der
Vorbereitung für jeden Beruf die geeignetste sei; um in solchem Kampfe ihr Bestes zum
Heile der Nation zu leisten, sollte jede der drei vorhandenen Schulen — Gymnasium,
Kealgymnasium, Oberrealschule — grundsätzlich die gleichen äußeren Rechte haben und
dabei die Freiheit genießen, sich im Inneren ihrer Eigenart gemäß zu entwickeln und aus-
zuwirken. Ourch Allerhöchsten Erlaß vom 26. November 1900 wurde der Gedanke zum
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