Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
IX. Buch. Das höhere Schulwesen. 49 
  
der erwachsenen Schüler geleitet wird: nicht in gegebene Formen eingezwängt, sondern 
zu selbständiger Betätigung angeregt. 
Oiee Lehrer. Fragen der Prü- Unendlich viel hängt von dem Können und Wollen 
des Lehrers ab. Eine neue Prüfungsordnung (von 
1898) batte den ausgesprochenen Zweck, nur solche 
in den Beruf einzulassen, die von vornherein gerüstet wären auch in Prima zu unter- 
richten; eine Lehrbefähigung für die Unterstufe gab es nun überhaupt nicht mehr. Durch 
wiederholte materielle Verbesserungen, zuletzt durch den Normaletat von 1908, der die 
lange versprochene Eleichstellung der wissenschaftlichen Lehrer mit den juristisch vor- 
gebildeten Beamten brachte, wurde dahin gewirkt, die Berufsfreudigkeit zu erhöhen. Wer 
einmal zu fester Anstellung als Oberlehrer gelangt ist, kann sicher darauf rechnen, mit Rang 
und Einkommen in bestimmten Fristen aufzurücken; Zufall oder Willkür, ungünstige Be- 
urteilung seitens eines Vorgesetzten können keinen mehr zurückhalten. Damit war allerdings 
auch ein Ansporn zum Wetteifer beseitigt und eine Mahnung unbeachtet geblieben, die 
auf der Funikonferenz 1900 einer der hohen Offiziere ausgesprochen hatte: die wichtigste 
Reform sei im Personal zu suchen, strebsamen Kräften müsse Gelegenheit gegeben wer- 
den sich zu entwickeln; man solle die mittelmäßigen Kräfte auf das richtige Niveau zurück- 
weisen und ihnen nicht die gleiche Stellung einräumen wie hervorragenden Lehrern. 
In der Tat, auf diesem Grundsatze beruht die Stärke unserer herrlichen Armee; die 
festen Traditionen eines altmonarchischen Staatswesens sichern seine Durchführung. 
Daß dieser Schutz auch der Arbeit im höheren Lehrberuf zugute komme, liegt im In- 
teresse aller, um derentwillen sie getan wird. Denn auch da handelt es sich um Aufgaben, 
für deren Lösung es nicht ausreicht, überlieferte Methoden der Vorschrift gemäß an- 
zuwenden. 
  
fung und Beförderung. 
  
Fortschritte im Unterrichtsbetrieb. Wer geistige Güter — nicht anders als 
materielle — fruchtbar erhalten will, muß 
ihren Wert zu steigern suchen. Dieser Gedanke ist, seit dem Erlaß vom 26. November 
1900, durch den Verlust der äußeren Vorrechte des Gymnasiums kräftig aufgeweckt 
worden. Man fragte, man forschte nach den eigentlichen, für die Gegenwart noch wirk- 
samen Bildungselementen in den alten Sprachen, in den Kunstwerken der alten Dichter 
und Denker; so wurde die Behandlung des Lateinischen und Griechischen belebt und ver- 
tieft und damit der Glaube gestärkt, daß für kleinere Kreise empfänglicher Jugend die 
Antike und die im Ringen mit ihr sich bildende deutsche Geisteskultur immer wieder er- 
höhte Bedeutung gewinnen wird. Auf der andern Seite empfanden die Realanstalten den 
Antrieb, Sorge zu tragen, daß die äußere Eleichberechtigung, die ihnen verliehen war, 
keine bloß äußere bleibe; man suchte den Unterricht im Französischen und Englischen so 
wissenschaftlich auszubauen, daß er an Berstand schärfender, das Urteil übender Kraft 
dem in den alten Sprachen immer näher käme. Frisches Leben regt sich überall in Mathe- 
matik und Naturwissenschaften; der methodische Fortschritt der letzten zwölf Jahre ist 
an keiner Stelle deutlicher zu spüren. Schülerübungen in Physik, Chemie, Biologie 
  
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