Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
IX. Buch. Volksschulen. 50 
  
Anregung, welche die Knaben durch den Handfertigkeitsunterricht erhalten, einen 
stärkeren Zustrom von Lehrlingen. 
Schulaufsicht. Der Förderung der Volksschulbildung dient ganz wesentlich die ver- 
besserte Schulaufsicht. An dem Gesetze über die staatliche Schul- 
aufsicht und an den Hoheitsrechten des Staates über die Schule hat Kaiser Wilhelm II. 
unentwegt festgehalten. Der Ubergang von der nebenamtlichen zur hauptamtlichen 
Kreisschulaufsicht vollzieht sich allmählich. Die Zahl der geistlichen Kreisschulin- 
spektoren im Nebenamt beträgt nur noch 696, gegen 831 im Zahre 1888. Nach 
einer kurzen Zeit des Stockens im Anfange dieses Jahrhunderts hat wieder eine 
stärkere Vermehrung der hauptamtlichen Stellen eingesetzt. Aber auch die Fort- 
bildung der jungen Lehrer mußte durch die verbesserte Schulaufsicht gefördert werden. 
Es ist das noch nicht in genügendem Maße der Fall, weil die Kreisschulinspektions- 
bezirke zu groß sind. A#uch fehlt den Kreisschulinspektoren öfters die Vorbildung, um die 
jungen Lehrer anzuleiten. Eigentlich müßte jeder Kreisschulinspektor selbst eine Zeit lang 
Lehrerbildner gewesen sein. Erst dann kann er die Hauptaufgabe der Schulaufsicht, die 
Lehrer in ihrem unterrichtlichen Können durch Vormachen und auf Erfahrung begründete 
Belehrung zu fördern, wirklich lösen. Die Forderung der Volksschullehrerschaft jedoch, 
daß der Kreisschulinspektor selbst Volksschullehrer gewesen sein müsse, geht zu weit. Die 
Notwendigkeit einer örtlichen Aufsicht über die Lehrer, insbesondere der jüngeren, wird 
in weiten Kreisen anerkannt, aber es wird bezweifelt, ob es noch zeitgemäß ist, diese Auf- 
sicht durch eine einzelne Person, namentlich durch den Ortsgeistlichen, wahrnehmen zu 
lassen. Die Zeitströmung geht mehr dahin, die örtliche Aussicht dem Schulvorstand zu 
Übertragen, wie dies in der Gesetzgebung mehrerer lleinerer deutscher Staaten in den 
letzten Jahren geschehen ist. 
  
Schulhygiene. Oie Pflege des Körpers war früher der Familie und dem Ein- 
zelnen ganz überlassen. Mehr und mehr ist sie in den Bereich der 
öffentlichen Fürsorge einbezogen worden. Der alte Satz: Beneficia non obtruduntur — 
Wohltaten werden nicht aufgedrängt — gilt für kein Gebiet des Staatslebens weniger, 
als für das der Hygiene. Und man bedient sich der Volksschule, um allgemeine hygienische 
Maßregeln zur Durchführung zu bringen. In weitestem Maße wird Vorsorge getroffen 
gegen das Auftreten von Krankheiten überhaupt, insonderheit gegen die Verbreitung 
übertragbarer Krankheiten. Dem ersteren Zwecke dient die Hygiene des Schulhauses 
und der Pflege des gesunden Körpers in der Schule. 
  
Gesunde Schulräume. In ganzanderer Weise als früher wird heute für gesunde 
Schulräume gesorgt. Es sind genaue Maßevorgeschrieben 
für die Grundfläche und die Höhe der Schulräume, für die Geräumigkeit der Flure, für die 
Größe der Fenster; über Heizungs- und Lüftungsvorrichtungen sind Bestimmungen ge- 
troffen. Allerdings gelten sie zunächst nur für neue Schulhäuser. Aber seitdem der 
Staat zwangsweise Baufonds zur Instandhaltung der Schulhäuser ansammeln läßt 
  
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