60 Volksschulen. IX. Buch.
und seitdem er das staatliche Baudrittel den kleineren Schulverbänden gewährt (19060),
werden auch viele Umbauten vorgenommen. Die doppelseitige Beleuchtung wird
beseitigt, die Fenster werden erhöht. Es wird für besondere Eingänge zu den Schul-
zimmern gesorgt, für Absperrung der Lehrerdienstwohnungen, damit die Ausbreitung
einer in der Lehrerfamilie ausgebrochenen ansteckenden Krankheit auf die Schulkinder
verhütet werden kann. Dabei werden besondere Vorflure eingerichtet zu Kleider-
ablagen, während früher durch die Kleideraufhängung im Schulzimmer die Luft
verdorben wurde. Es werden Lüftungsschächte und Scheiben angebracht, in den
Schulküchen wird der Rauch unterirdisch abgeleitet. Die Ofen sind verbessert. Die
alten, giftige Gase ausströmenden Kanonenöfen sind verschwunden; dafür sind Füll-
öfen und mannigfache Heizspsteme eingetreten. Die Aborte werden zweckmäßig ange-
legt, ja es ist neuerdings gelungen, sie in den Schulgebäuden selbst geruchlos unterzu-
bringen, wodurch den Kindern der Weg über den zugigen und nassen Schulhof gespart
wird. Dazu kommt die ästhetische Seite. Die Schulhäuser sind heute meist Zierden des
Ortes. Die Dorfbewohner haben angefangen, an schönen Schulhäusern Geschmack zu
gewinnen. In den Städten werden geradezu Schulpaläste, mit künstlerischer Außen--
und Innenausstattung, gebaut. Die Schulbankfrage beschäftigt die Schulvorstände und
die Schulbehörden. Man ist darauf bedacht, die Bank der Körpergröße und Haltung der
Kinder, wie den Unterrichtszweigen anzupassen. Und die Schulhäuser werden instand-
gehalten. Es ist noch nicht viele Jahre her, daß die Schulkinder in zahllosen Dörfern die
Schulzimmer abwechselnd selbst reinigen mußten, was meist recht unvollkommen und
nur wöchentlich ein- oder zweimal geschah. Das unbequeme Drängen der Bezirksregie-
rungen auf tägliche Reinigung, auf feuchtes Aufwischen, auf Heranziehung der erwachsenen
Personen hat seitens des Ministers Unterstützung gefunden durch die Anweisung zur
Verhütung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten durch die Schulen (1907). Die
Anordnungen des Ministers über die Pflege des Turnunterrichts haben die Regierungen
getrieben, überall für Turn- und Spielplätze zu sorgen, an denen es für Volksschulen
noch sehr fehlte, weil die Gemeinden von ihrer Notwendigkeit schwer zu überzeugen
waren. Oabei ist der Osten besser daran als der Westen, weil das Turnen im Osten dank
den Jahnschen Anregungen länger zu Hause ist, als im Westen. Auch ist dort der Grund
und Boden nicht so teuer, wie in den westlichen Gegenden höchster landwirtschaftlicher
Kultur. Aber erst mit der Herstellung von Turnhallen ist der ununterbrochene Betrieb
des Turnunterrichts gesichert. Denn trotz aller Wünsche, daß der Turnunterricht haupt-
sächlich im Freien erteilt werden soll, ist das nach den klimatischen Verhältnissen vieler
Landstriche gar nicht durchführbar. Wenn sich die Kinder auch der rauheren Witterung
aussetzen dürften, so geht es doch wegen der Lungen und Stimmen der Lehrer und Lehre-
rinnen häufig nicht an. Für das Knabenturnen in Schulen ohne Turnhalle ist in glänzen-
der Weise gesorgt durch eine von der Landesturnanstalt verfaßte Anleitung (1909). Für
die ein Bedürfnis bleibende Einrichtung von Turnhallen ist keine Verfügung wirksamer
gewesen, als die über die Einrichtung der dritten wöchentlichen Turnstunde (1910).
Hunderte von neuen Turnhallen sind für die Volksschulen hergestellt worden; das hat
namentlich der großstädtischen LJugend zum Segen gereicht.
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