Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
70 Volksschulen. IX. Buch. 
  
Befähigung für den einjährig-freiwilligen Dienst ausstellen dürfen. Damit war den Volks- 
schullehrern auch der Eintritt in den Reserveoffiziersstand eröffnet. Die einjährig 
dienenden Volksschullehrer haben sich als geschulte Erzieher im Kompagnieverbande be- 
währt, ihre musikalische Bildung ist von hohem Wert für den inneren ODienst, und Tausende 
von ihnen, solche, die mit und solche, die ohne Schnüre gedient haben, sind zu Unter- 
offizieren der verschiedenen Nangstufen befördert worden, und eine größere Anzahl auch 
bereits zu Reserveoffizieren. 
Vor 25 Jahren gab es in Preußen nochkein Gesetz, welches den Lehrern 
ein festes Einkommen gewährte. Wohl war in der Verfassungs- 
urkunde den Lehrern die Gewährung eines festen, den Lokalverhältnissen angemessenen 
Diensteinkommens zugesagt, aber staatliche Vorschriften, welche die Regelung der für die 
einzelnen Lehrerstellen bestehenden, auf dem Lande meist nach kirchenrechtlichen Normen 
festgesetzten Dotationen anordneten, waren nicht ergangen. Nur in einzelnen Landesteilen 
gab es Vorschriften über die Höhe des Diensteinkommens und diese sahen zum Teil 
nur die Höhe der Naturalbezüge vor, zuweilen Mindestsätze des Gesamteinkommens 
unter Anrechnung der Naturalbezüge, zuweilen verhinderten sie auch die Gehalts- 
steigerung über bestimmte Höchstsätze hinaus, so in der Provinz Hannover, wo 
in Land- und Fleckensgemeinden 150 Thlr., in Städten 300 Thlr. das Höchstgehalt 
ausmachten. Die Gehälter wechselten von Ort zu Ort und hingen im wesentlichen 
vom Wohlwollen der Gemeindekörperschaften ab. Das durchschnittliche Stellenein- 
kommen im ganzen Staate (außer Wohnung und Feuerung) betrug 1013 M., in West- 
preußen nur 794, in Sachsen 1040, in Schleswig-Holstein 1114, im Rheinland 1133. 
Dazu war durch das eine rückläufige Bewegung bezeichnende Anforderungsgesetz von 
1887 den Bestrebungen der Bezirksregierungen, die Aufbesserung ungenügender Lehrer-- 
gehälter durch Verwaltungsmaßregeln zu erzwingen, ein Riegel vorgeschoben. Von da 
ab hing es von den Selbstverwaltungsorganen, den Kreisausschüssen, den Bezirksaus- 
schüssen, den Provinzialräten, denen gegenüber die Verwaltungsbehörde in die Rolle der 
llagenden Partei verwiesen war, ab, ob den Schulunterhaltungspflichtigen neue und 
erhöhte Leistungen auferlegt werden dürfen. Bald genug hat die Unterrichtsverwal- 
tung erfahren, daß das Gesetz dahin führt, daß die zulässige Belastung der Gemeinden 
auf ein Mindestmaß beschränkt wurde, in der Erwartung, daß dann der Staat mit seinen 
Mitteln eintrete, daß also in Ermangelung von Staatemitteln ein den Bedürfnissen ent- 
sprechende Fortentwicklung nicht mehr eintrat. Sie hat es seit dem Jahre 1890 nicht an 
Versuchen fehlen lassen, das Anforderungsgesetz wieder zu beseitigen. Zwar ist ihr dies 
nicht gelungen, aber die nachteiligen Wirkungen des Gesetzes hinsichtlich der Besoldungs- 
festsetzung der Lehrer sind durch die Lehrerbesoldungsgesetze von 1897 und 1909 doch be- 
seitigt worden. Den Volkeschullehrern ist jetzt in gleichem Maße, wie den unmittelbaren 
Staatsbeamten, die Beschreitung des Rechtsweges in Hinsicht von vermögenerechtlichen 
Ansprüchen aus ihrem Dienstverhältnis zugesichert. Es kann wohl davon Abstand ge- 
nommen werden, das Sypstem der gegenwärtigen Volksschullehrerbesoldung hier darzu- 
stellen. Nur die Wirkung des Gesetzes von 1909 mag an einigen Zahlen zur Anschauung 
Einkommen. 
  
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