IX. Buch. Volksschulen. 73
gerichtet ist. Das Gesetz regelt die Schulaufsicht neu unter Beseitigung der bisherigen
Stellung des Ortsschulaufsehers. ODie mittlere (Bezirks-) Instanz wird fachmännisch ge-
staltet. Die Besoldungsverhältnisse der Volksschullehrer sind durch mehrere rasch auf-
einander folgende Gesetze (zuletzt 1911) geregelt. Die Naturalbesoldung ist grundsätzlich
beseitigt. Der Mesnerdienst ist vom Lehrerdienst schrittweise getrennt worden. [Die Ge-
meinden zahlen zum Lehrergehalt bestimmte Beiträge; den Rest bringt der Staat auf.
Die Gehaltszahlung erfolgt in allen kleineren Gemeinden durch die Staatskasse. Ebenso
ist die Versorgung der Hinterbliebenen durch Auflösung der besonderen Witwenkassen
der Volkeschullehrer und Angleichung der Verhältnisse der Lehrerwitwen an die der
Beamtenwitwen beständig verbessert worden. Den die Rechtsverhältnisse der Volks-
schullehrer ordnenden Gesetzen von 1907 folgte ein neues von 1912, durch welches die
Bestimmungen des Beamtengesetzes auf die Lehrer und Lehrerinnen an den Volksschulen
Übertragen werden, soweit nicht im neuen Gesetze Abweichendes bestimmt ist. Und diese Ab-
weichungen sind auf das notwendigste beschränkt. Das Volksschulgesetz ist ausgestaltet durch
eine Reihe ausgezeichneter ministerieller Ausführungserlasse (1910). Derinmere Unterrichts-
betrieb ist durch eine neue Ausgabe des seit 1870 bestehenden vortrefflichen Normallehrplanes
(1907) und durch die Umgestaltung der Lehrerbildung, darunter eine Ordnung der höheren
Prüfung für den Volksschuldienst (1910), den neuzeitlichen Anforderungen angepaßt.
Baden. Das Badische Volksschulgesetz von 1835 ist regelmäßig den Anforderungen
der Zeit entsprechenden, vollständigen Neubearbeitungen unterworfen wor-
den, so 1892, 1906 und zuletzt 1910. Die Gehaltsverbesserung der Lehrer bildete 1910 den
Anlaß. Der Grundzug des Badischen Volksschulwesens ist geblieben: Simultanschulen
unter Verwaltung der politischen Gemeinde und unter Aufsicht des Staates, bei Aus-
schaltung des kirchlichen Einflusses, dem dagegen der Religionsunterricht ganz überlassen
ist. Bemerkenswert ist die Ausgestaltung der schon früher in Baden besonders gepflegten
Volksschule mit erweiterten Unterrichtszielen. Es können besondere Schulabteilungen
mit fremdsprachlichem Unterricht, die auch über das schulpflichtige Alter hinausführen, er-
richtet werden (Bürgerschulen). Die Volksschulausgaben werden aus der Staatskasse
bestritten, wogegen die Gemeinden verpflichtet sind, an diese bestimmte Beiträge für die
einzelnen Schulstellen und für den Kopf des Lehrers zu zahlen. Die Städte, welche der
Städteordnung unterstehen, bestreiten jedoch ihre Volksschulausgaben allein. Die Rechts-
verhältnisse der Volksschullehrer sind trefflich geordnet, ebenso der an anderen Anstalten
als Volksschulen angestellten Volksschullehrer. Die Besoldungen sind erheblich verbessert
(1910). Baden hat wohl allein unter den größeren deutschen Staaten eine moderne
Kegelung des Privatschulwesens durchgesetzt (1910). Bemerkenswert ist die Errichtung
eines technischen Beirats des Unterrichtsministers, des Landesschulrats (1911.
In Hessen gilt das allgemeine Volksschulgesetz von 1874. Die Gehaltsverhältnisse
und die Hinterbliebenenversorgung sind in neuerer Zeit (1905, 1907, 1912) neu geregelt.
Die Schulunterhaltung liegt der politischen Gemeinde ob, der Staat leistet Zuschüsse;
so trägt er die Dienstalterszulagen und ergänzt dem Schullehrerpensionsfonds und der
Witwen- und Waisenkasse die regelmäßigen Einnahmen durch Deckung des Fehlbetrages.
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