X. Buch. Philosophie. 5
und Lotze vermochten nicht gegen den Strom dieser Emanzipation von der Philo-
sophie größere Erfolge zu erkämpfen, obwohl ihre Bedeutung für die Ausbildung
einer physiologischen und einer experimentellen Psychologie willig anerkannt wurde.
Oie Einzelwissenschaften strebten überall nach selbständiger Gestaltung und erblickten
in der philosophischen Ergänzungearbeit günstigsten Falls eine unschuldige Liebhaberei
von Leuten, die zu nichts Besserem taugten. Das Wort von der dürren Heide und der
grauen Theorie wurde beifällig zitiert, wohl auch vergröbert. Zm sicheren Besitze eines
unumstößlichen und stetig fortschreitenden Missens glaubte man selbst die Möglichkeit einer
wissenschaftlichen Philosophie bestreiten zu dürfen. Wissenschaft und Philosophie, die im
Altertum zusammengefallen waren, llafften jetzt förmlich als Gegensätze auseinander,
und ihre Begriffe schienen keine widerspruchslose Synthese mehr eingehen zu können.
Wenn man nun doch wieder zu einer anderen Auffassung gekommen
ist, so hat das verschiedene Gründe. Zunächst war der Positivis-
mus bemüht, sich den Einzelwissenschaften durch ihre Sostema-
tisierung, die Pflege ihres Zusammenhangs und die Herausarbeitung ihrer Allgemein-
beiten (der généralités scientifiques nach dem Ausdruck Comteg) dienstbar zu
erweisen und unentbehrlich zu machen. Damit sicherte er sich einen Anteil an den
einzelwissenschaftlichen Untersuchungen, deren Zersplitterung und wechselseitige Ent-
fremdung für einen umfassenderen Fortschritt der Erkenntnis zur Gefahr werden
mußte. Comte, John Stuart Mill und Spencer vor allen haben in diesem Sinne
das Ansehen der Philosophie wiederhergestellt, freilich nicht, ohne sie selbst zugleich
der Hauptsache nach preiszugeben. Wenn die Philosophie nur das Spstem und der all-
gemeine Teil der Einzelwissenschaften ist, so hat sie aufgehört, neben ihnen besondere
Gegenstände und Aufgaben zu behandeln. Daran ändert die Tatsache nichts, daß dieser
Positivismus eine neue Wissenschaft, die Soziologie, ins Leben rief und für die Ethik
eine neue Grundlage schuf.
Umschwung.
Positivismus.
Grundlegung ön wencoen bild ete Janherneusane sat
en 60er Fahren des 19. rhu " ein selb-
der Einzelwissenschaften. andigeres philosophisches Seitenstack zu der posit-
vistischen Bewegung. Die Erkenntnistheorie erhielt hier die grundlegende Bedeu-
tung zugestanden, die ihr bis auf den heutigen Tag geblieben ist. Zu ihr gesellte sich
alsbald die Logik, die seit den 70er Jahren eine durchgreifende Neubearbeitung
erfuhr, nachdem ihr schon Mill trotz seines positivistischen Bekenntnisses eine selb-
ständige, für alle Wissenschaften maßgebende Form verliehen hatte. So entstand eine
Tpeorie der formalen und materialen Voraussetzungen aller Wissenschaften,
die sich bald allgemeiner Anerkennung erfreuen durfte, seit hervorragende Vertreter
der Einzelwissenschaften selbst solchen Uberlegungen nachgingen und sie dadurch gewisser-
maßen sanktionierten.
Dabei regte sich rasch das Bedürfnis, die Probleme, die dazu gehörten, noch etwas
mehr zu differenzieren. Eine Gegenstandstheorie erhebt seit den 90er Jahren den
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