Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
X. Buch. Philosophie. 7 
  
los hatte die Philosophie von diesem Wettstreit mit vertauschten Waffen den größeren 
Vorteil. Ihr hat die Berührung mit einzelwissenschaftlicher Forschung niemals ge- 
schadet, sie gewann daraus Probleme und Anregungen, festen Boden unter den Füßen 
und eine fruchtbare Erweiterung ihres Gesichtskreises. Zünftiger Abschluß ist, wie die 
Geschichte der Philosophie lehren sollte, nirgends weniger angebracht als in der Philo- 
sophie. Sie gleicht einer vieltorigen Stadt, zu der man von allen Himmelsgegenden 
den Zugang finden kann. Aber einheimisch wird man freilich nicht in ihr, wenn man 
nur gelegentliche Streifzüge bis in eines ihrer Tore hinein unternimmt. 
Geschichte der Philosophie. Waren die zuletzt geschilderten Wandlungen in der 
Philosophie vornehmlich dazu geeignet, sie den 
Natrforschern wieder zu empfehlen, so mußte der ausgiebige und exakte Betrieb in der 
Geschichte der Philosophie ihr namentlich bei den Vertretern der Geisteswissen- 
schaften Anerkennung eintragen. Es ist ein großes Verdienst der Hegelschen und daneben 
der Schleiermacherschen Schule, die Bedeutung der philosophiegeschichtlichen Arbeit in 
belles Licht gestellt und durch zahlreiche glänzende Leistungen erwiesen zu haben. 
Deußens und Th. Gomperz' eindringende und philosophisch durchleuchtete Schil- 
derungen indischen und griechischen Denkens, Windelbands und Euckens zahlreiche 
und vielseitige historische Darstellungen, B. Erdmanns und Riehls, Vaihingers und 
Volkelts, Adickes, und H. Maiers, Cohens, Natorps und ihrer Schüler Forschungen, 
von Hertlings und Bäumkers Untersuchungen zur Philosophie des Mittelalters, 
Dproffs Pionierarbeit in der Zeit des Ubergangs zur neueren Philosophie u. a. legen in 
der Gegenwart für das ungebrochene Znteresse an der Philosophie der Vergangenheit und 
für den großen historischen Sinn bei aller Genauigkeit im Kleinen gewichtiges Zeugnis ab. 
Die Strenge der bistorischen Methode ist hier in einem Maße zur Anwendung gekommen, 
daß die Geschichtsschreiber der Philosophie beanspruchen können, von jedem Historiker und 
Philologen als ihresgleichen beurteilt zu werden. Man kann sehr verschiedener Meinung 
darüber sein, ob die starke Beschäftigung mit der Philosophie der Bergangenheit einen 
günstigen Einfluß auf die positive Entwickelung unserer Philosophie ausgeübt habe, 
und vielleicht bei der Erwägung des Für und Wider zu einiger Skepsis gegen die An- 
nahme eines solchen Einflusses neigen. Aber daß die philosophiegeschichtliche Arbeit 
wesentlich dazu beigetragen hat, das Ansehen der Philosophie bei den Einzelwissen- 
schaften zu heben und zu befestigen, unterliegt keinem Zweifel. 
  
untersuchung der n Gesireroissensebesee, 46 schern m ne- Bebrhunent 
. ebenbürtig neben die Mathematik 1 ie rwissen- 
Geisteswissenschaften. schaften gestellt haben, ist aber auch eine besondere ein- 
gehende Untersuchung gewidmet worden. W. Dilthep und Wundt, Windelband und 
Rickert haben vor allen ihren Begriff und ihr Ziel, ihre Methode und ihre Einteilung 
von erkenntnistheoretisch-logischen Gesichtspunkten aus vielfältig behandelt, ihre Grund- 
lagen in einer Psychologie oder einer Wertwissenschaft gefunden oder geschaffen und 
ihre Ergebnisse für eine Philosophie des Geistes fruchtbar gemacht, zu der namentlich auch 
  
  
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