22 Eisenbahnen, Straßen- und Luftverkehr, Post und Telegraph. VII. Buch.
Der Uberschuß des Eisenbahnbetriebs hat in erster Linie für die Deckung der Zins-
last zu dienen. Bei keiner der deutschen Staaatsbahnverwaltungen erreicht die Schuld
die volle Höhe des Anlagekapitals. Bei allen ist teils infolge von Schuldentilgung, teils
infolge der aus laufenden Mitteln erfolgten Vermehrung des Anlagekapitals die Schuld
langsamer gewachsen als das Anlagekapital.
Die Anschauungen darüber, ob Staatsschulden für werbende Anlagen überhaupt
getilgt werden müssen, sind geteilt. Sicher ist aber, daß die Lage eines wirtschaftlichen
Unternehmens, mag es Staats- oder Privatunternehmen sein, um so günstiger ist, je
mehr es abgeschrieben hat. Darum haben alle deutschen Verwaltungen eine planmäßige
Schuldentilgung eingeführt. Die Tilgungssätze bewegen sich zwischen 0,6 und 2,3%
der Schuld.
Wenn infolge von Wellenbewegungen in der allgemeinen Wirtschaftslage die Ein-
nahmen eines Eisenbahnunternehmens zurückgehen, können in der Regel die Ausgaben
nicht sofort dementsprechend ermäßigt werden, sie steigen vielmehr noch eine Zeitlang
weiter. Die Folge ist, daß in solchen Jahren der Uberschuß stark zurückgeht und nach Um-
ständen auch für die Verzinsung der Schuld nicht mehr ausreicht. Solche Schwankungen
in den Ergebnissen des Eisenbahnbetriebs üben äußerst ungünstige Rückwirkungen auf
den Gesamtstaatshaushalt aus. Die meisten deutschen Staatseisenbahnen sind daher
in den letzten Lahren zur Bildung von Ausgleichsfonds übergegangen, die aus den
Uberschüssen guter Fahre gespeist werden. Es ist damit eine wichtige Sicherung des Eisen-
bahn- und allgemeinen Staatshaushalts der Bundesstaaten geschaffen worden.
Die Staatseisenbahnen haben ihre Betriebsüberschüsse, soweit diese nicht für die
Verzinsung und Tilgung der Eisenbahnschuld notwendig sind, an den allgemeinen
Staatshaushalt abzuliefern, ebenso wie umgekehrt der Staatshaushalt etwaige Fehl-
beträge im Eisenbahnbetrieb zu decken hat. In den meisten Bundesstaaten ist in den
letzten Jahren das Verhältnis zwischen Eisenbahnbetrieb und allgemeinem Staatshaus-
halt und die gegenseitige Zuschußleistung geregelt worden. In Preußen haben die Ab-
lieferungen für allgemeine Staatszwecke im letzten Zahrzehnt jährlich zwischen 99 und
220 Millionen Mark betragen.
In mehreren außerdeutschen Ländern haben sich die Eisenbahnen in den letzten
Jahren genötigt gesehen, zur Deckung des steigenden Betriebsaufwandes Erhöhungen
ihrer Tarife durchzuführen oder doch ins Auge zu fassen. Die deutsche Volkswirtschaft
ist vor dieser Gefahr bisher bewahrt geblieben. Bei den deutschen Staatseisenbahn-
verwaltungen haben sich im Gegenteil, wie im Vorstehenden gezeigt wurde, ungeachtet
großer Mehrleistungen für den Verkehr und für die Wohlfahrt des Personals, in den letz-
ten Jahrzehnten wichtige Wandlungen zur inneren finanziellen Kräftigung der Unter-
nehmungen vollzogen. Auf eine geradezu glänzende finanzielle Entwicklung blickt das preu-
ßhische Staatseisenbahnunternehmen zurück. Es dürfte wie an Größe so auch an sicherer
Gründung seiner wirtschaftlichen Lage von keinem anderen Eisenbahnunternehmen der
Welt übertroffen werden.
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