Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
VII. Buch. Eisenbahnen, Straßen- und Luftverkehr, Post und Telegraph. 23 
  
V. Die städtische Verkehrspolititk. 
Städte können, sobald sie 50 000 Einwohner erreicht haben, 
in der Regel die Straßenbahn nicht mehr entbehren. Bei 
dem starken Anwachsen der städtischen Bevölkerung im deutschen Reiche sind immer neue 
Straßenbahnnetze in den Mittelstädten entstanden. Die bereits bestehenden sind mächtig 
erweitert worden. In den 1890 er Jahren begann die Elektrisierung der Straßenbahnen 
und damit eine Epoche glänzenden Aufschwungs und immer größerer Verbreitung dieses 
Verkehrsmittels. 
Am 1. April 1912 gab es in Deutschland etwa 4600 km Straßenbahnen, die GEleis- 
länge der deutschen Straßenbahnen hat sich in 25 Jahren versechsfacht. 
Die Gemeinden waren in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr bestrebt, den 
Privatbetrieb durch den gemeindlichen Betrieb zu ersetzen. Freilich die Gefahren, 
denen der staatliche Betrieb wirtschaftlicher Unternehmungen ausgesetzt ist, drohen 
dem gemeindlichen Betrieb in verstärktem Maße, und so macht sich neuerdings eine ge- 
wisse Strömung gegen die weitgehende Kommunalisierung technischer Betriebe, insbe- 
sondere gegen gemeindliche Betriebe der Straßenbahnen geltend. 
Die Stadt Berlin hat bei ihren im Jahre 1911 zum Abschluß gelangten Verhand- 
lungen mit der großen Berliner Straßenbahn den Weg des Kommunalbetriebs nicht 
beschritten. Sie hat vielmehr der genannten Gesellschaft den Straßenbahnbetrieb im Weich- 
bild Berlins in einem bis zum Jahre 1950 laufenden Vertrag wiederum übertragen, sich 
dabei jedoch einen maßgebenden Einfluß auf die Verwaltung des Unternehmens und 
das Recht, die Bahnen unter bestimmten Bedingungen einzulösen, gesichert. 
OSie Straßenbahnen. 
  
Die Stadtschnellbahnen. Stadtschnellbahnen, d. s. auf eigenem Bahnkörper ge- 
führte Eisenbahnen, die lediglich dem inneren städtischen 
Schnellpersonenverkehr dienen, sind in der Regel nur in Weltstädten Bedürfnis. 
Eleichwohl haben die Industriestädte Barmen, Elberfeld und Vohwinkel, 
die zusammen noch keineswegs die Einwohnerzahl einer Weltstadt erreichen, zur Vermitt- 
lung ihres überaus lebhaften gegenseitigen Personenverkehrs ein ganz neues eigenartiges 
Stadtbahnunternehmen ins Leben gerufen. Sie erbauten als Stadtschnellbahn eine 
Schwebebahn nach dem System Langen. Die Wagen hängen an Orehgestellen, die auf 
einer einzigen Schiene laufen. Die Bahn ist hoch über dem Gelände auf mächtigen Stützen 
meist über der Wupper geführt. Sie besitzt eine Länge von 13,5 km und hat kaum 1½ Mil- 
lionen Mark für das Kilometer gekostet, während sonst eine Stadtbahn, wenn sie als 
Hochbahn ausgeführt wird, nicht unter 3 Millionen Mark und als Untergrundbahn nicht 
unter 5—10 Millionen Mark für das Kilometer herzustellen ist. Dabei steht die Schwebe- 
bahn der Stadtbahn an Schnelligkeit und Leistungsfähigkeit nicht nach. Trotzdem hat 
das interessante Unternehmen der drei Städte bisher keine Nachahmung gefunden. 
Wenn man in Ubereinstimmung mit der statistischen Begriffsbestimmung Stadtge- 
bilde von mehr als 1 Million Einwohner als Weltstädte bezeichnet, so ist im Laufe des 
letzten Vierteljahrhunderts Groß- Hamburg (mit Altona) in die Reihe der Weltstädte 
  
895
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.