Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Dritter Band. (3)

  
24 Eisenbahnen, Straßen- und Luftverkehr, Post und Telegraph. VII. Buch. 
  
eingetreten. Es hat in dieser Zeit zwei selbständige Stadtschnellbahnen erhalten, die 27 km 
lange elektrische Schnellbahn Ohlsdorf—Hamburg—Altona—Blankenese, die zum größten 
Teil vom preußischen Staat hergestellt ist und von ihm betrieben wird, und die 28 km 
lange elektrische Hoch- und Untergrundbahn, die für Rechnung des Hamburgischen Staates 
von den Firmen Siemens 8& Halske und der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft 
erbaut und nunmehr von diesen beiden Gesellschaften auch in Pacht genommen wurde. 
Wichtige Anschlußlinien zur Aufschließung des umliegenden Geländes für die groß- 
städtische Besiedellung sollen künftig das Hamburger Stadtbahnnetz ergänzen. 
In der Reichshauptstadt Berlin ist die schon im Zahre 1882 eröffnete Stadt- und Ring- 
bahn nunmehr an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt. Sie wird noch als 
Dampfbahn betrieben und soll, wie schon oben erwähnt wurde, für den elektrischen Betrieb 
eingerichtet und damit in den Stand gesetzt werden, einen doppelt so großen Verkehr zu 
bewältigen. 
Eine neue wichtige Schnellbahn, die elektrische Hoch- und Untergrundbahn, ist im 
Fahre 1902 zunächst mit der Strecke Warschauer Brücke—Zoologischer Garten mit Ab- 
zweigung zum Potsdamer Platz eröffnet und seitdem mehrfach erweitert worden. Mit 
den zurzeit in Ausführung begriffenen und voraussichtlich noch in diesem Jahre zur Er- 
öffnung gelangenden NReubaustrecken wird das Netz der Groß-Berliner Hoch- und Unter- 
grundbahnen eine Gesamtlänge von etwa 60 km erreichen. 
Die sonst so mächtig emporstrebende Reichshauptstadt ist in den letzten Jahrzehnten 
in der Entwicklung ihres Schnellbahnwesens binter anderen Weltstädten zurückgeblieben. 
Die Teilung Groß-Berlins in eine Reihe von Einzelgemeinden, deren jede ihre 
eigene Verkehrspolitik verfolgte, ließ einen einheitlichen Plan für die Ausgestaltung des 
Schnellbahnnetzes nicht zustande kommen. 
Zwecksverbandsgesetz für Groß-Berlin. Amein Organ zuschaffen, das die ein- 
ander widerstrebenden Sonderinter- 
essen vereinigt, hat der preußische Staat einen verkehre- und gemeindepolitisch gleich inter- 
essanten gesetzgeberischen Schritt getan, indem er durch das im vorigen Jahre in Kraft 
getretene Zweckverbandsgesetz für Groß-Berlin die 9 Gemeinden des großstädtischen 
Verkehrsgebietes zwangsweise zu einem Zweckverband zusammenschloß. Der Zweckverband 
soll der gemeinsame Träger einer einheitlichen Bahn-Baulinien- und Freiflächen- 
politik sein. Das groß gedachte Gesetz, in welchem die preußische Regierung mit kraft- 
voller Initiative dem schädlichen Einfluß der kommunalen Zersplitterung im Verkehrs- 
wesen Groß-Berlins entgegenzuwirken sucht, wird zweifellos dazu beitragen, der deut- 
schen Reichshauptstadt auch auf diesem Gebiete den ihr gebührenden Platz unter den 
Weltstädten wiederum zu verschaffen. 
Das Gesetz hat die Tätigkeit des Zweckverbandes nicht auf die Verkehrspolitik be- 
schränkt. Nach der bisherigen Entwicklung ist leider nicht anzunehmen, daß das groß- 
städtische Wohnungsproblem durch die Verkehrspolitik allein wird gelöst werden 
können. 
Tausende von Kilometern neuer Straßen-, Vorort- und Stadtschnellbahnen sind 
  
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