VII. Buch. Eisenbahnen, Straßen- und Luftverkehr, Post und Telegraph. 25
in den letzten Jahrzehnten in den deutschen Großstädten erbaut worden, aber die Woh-
nungen sind nicht billiger geworden. Wo der Verkehr mit ländlichem Grund und Boden
in Berührung trat, sind hohe Grundpreise entstanden, die Mietkaserne ist immer weiter
in die Außenbezirke und selbst in die Vororte vorgedrungen, den minderbemittelten Klassen
ist es nicht beschieden worden, auf eigener Scholle zu wohnen.
Mancherlei Mittel zur Abhilfe sind vorgeschlagen, sogar einer grundsätzlichen Ände-
rung unseres Eigentumrechts am Grund und Boden wird das Wort geredet. Das Zweck-
verbandsgesetz hat in glücklicher Weise in den Wirkungskreis der neugeschaffenen Orga-
nisation neben der Verkehrspolitik auch die Baulinien- und Freiflächenpolitik gelegt.
Gerade die Verbindung von Verkehrs- und Wohnungepolitik erscheint bedeutungsvoll:
Die Vorstreckung erstklassiger, den Bedürfnissen des Wohnverkehrs besonders angepaßter
Schnellbahnen in Gebiete ländlichen Charakters, die Sicherstellung großer billiger Ge-
ländeflächen für den Wohnungsbau vor der Herstellung der Bahnen, sowie die zielbe-
wußte Schaffung von Erleichterungen für die Ansiedelung der minderbemittelten Klassen,
womit die Befriedigung der Wohnungebedürfnisse der Wohlhabenden und die Deckung
des Geländebedarfs der Industrie Hand in Hand zu gehen hätte, dürften in der Tat
vielleicht die alleinigen Mittel sein, die geeignet sind, die erstrebenswerte Ausbreitung
der Bevölkerung unserer Millionenstädte über weite Flächen blühenden Gartenlandes
anzubahnen.
VI. Deutsche Eisenbahnpolitik in den Schutzgebieten.
Im Zahre 1894, also zehn Jahre nachdem Oeutschland in die Reihe der Kolonial-
mächte eingetreten ist, wurde mit der ersten 14 km langen Teilstrecke der Asambara-Bahn
in Deutsch-Ostafrika die erste Eisenbahn in unseren Schutzgebieten eröffnet. Bereits
1906 gab es in den deutschen Kolonien 1000 km Bahnen.
Von nun an setzte eine überaus rasche Entwicklung ein. Es ist das Verdienst Dern.
burgs, daß er die große Bedeutung der Eisenbahnen für die wirtschaftliche Entwicklung
unserer Schutzgebiete erkannt und einen groß angelegten Plan für den Ausbau des Kolo-
nialbahnnetzes ausgearbeitet hat. 1908 und 1910 brachte er zwei große Kolonialvorlagen
ein, und schon 1910 war das zweite Tausend Kilometer Bahnen überschritten. Nach
Vollendung der jetzt im Bau begriffenen Linien, etwa Ende 1913, wird Deutschland in
seinen Schutzgebieten rund 4500 km Bahnen besitzen, unsere Kolonialbahnen werden
damit an Länge bereits dem Eisenbahnnetz der Schweiz gleichkommen.
In Deutsch-- Ostafrika ist außer der Usambara-Bahn, die bis Moschi, 352 km
von der Küste in das Innere vorgestreckt ist, munmehr auch die Mittellandbahn auf eine
Länge von 867 km bis nach Tabora, der wichtigsten Stadt des Schutzgebietes mit 40 000
Einwohnern, fertiggestellt. Sie wird in westlicher Richttung bis zum Ostufer des Tanganjika-
Sees fortgesetzt und vermittelst eines auf diesem See einzurichtenden Dampfschiffbetriebs
Anschluß an das Kongobahnnetz erhalten, das einen Ausläufer bis zum Westufer dieses
Sees entsenden wird. Man hofft den See von beiden Seiten bis Ende des Zahres 1913
erreichen und damit die erste große, teils aus Eisenbahnlinien, teils aus Schiffahrts-
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