200 Zoologie. X. Buch.
die in ihnen enthaltenen Kernschleifen (Chromosomen). In letzteren die Vererbungsträger
zu suchen, erschien daher als das Gegebene und deshalb erregten die Umwandlungen,
welche sie vor, während und nach dem Befruchtungsvorgang erfuhren, so außerordentlich
weitgehendes Interesse. Der Nachdruck lag dabei auf der Reduktionsfrage, d. h. darauf, wie
bei der Ei- und Samenreifung, bei welcher eine Reduktion der Kernschleifen an Zahl und
Masse erfolgt, die Abgabe vererblicher Eigenschaften und ihre Verteilung auf die Nach-
kommen vor sich geht. Hier hat die Determinantenlehre Weismanns und seiner Mit-
arbeiter eine besonders wichtige Rolle gespielt. Nal seiner in der Theorie des Keim-
plasmas bis ins Einzelne ausgearbeiteten und mit großer Energie verfochtenen Anschau-
ung wären die Vererblichkeitsträger in den Chromosomen niedergelegt und durch die Art
des Reduktionsverlaufs würde ihre Berteilung auf die Nachkommen bewerkstelligt. Un-
gemein feine nur durch die hohe Vervollkommnung der mikroskopischen (Konservierungs-
und Färbungs)-Methoden ermöglichte Untersuchungen übertrugen jene Spekulationen
auf die einzelnen Tierformen und je nach ihren Resultaten ergab sich ein Für und Wider
binsichtlich der Ubertragungsweise der vererblichen Eigenschaften oder der Gülltigkeit jener
Theorien überhaupt.
Besonders interessant gestaltete sich der Widerstreit der Meinungen, als mit dem
Wiederaufleben des Mendelschen Vererbungsgesetzes ein neues, besonders fruchtbares
Moment in den Kreis der Beobachtungen, Versuche und Spekulationen über das Ver-
erbungsproblem eintrat. Nach Mendels an Pflanzen gewonnenem und später an einer
größeren Zahl von Pflanzen und Tierarten bestätigtem Vererbungsgesetz erfolgt die Über-
tragung des Merkmals von den Eltern auf die Nachkommen in einer ganz bestimmten,
zahlenmäßig festzustellenden Weise. Bei einem Vergleich der durch Züchtung erhaltenen
Ergebnisse mit den bei der Eireifung und Befruchtung aufgefundenen Tatsachen ergab
sich nun eine gewisse Ubereinstimmung und die schon früher auf theoretischem Weg ge-
wonnene Überzeugung der Ubertragung der vererblichen Eigenschaften durch die Chromo-
somen der Keimzellkerne erhielt dadurch einen größeren Nachdruck.
Oie äußerst vielseitigen und zum Teil geradezu glänzenden Er-
folge der modernen Vererbungslehre sind hauptsächlich durch das
Studium der Bastardierungserscheinungen möglich geworden. Die Bastardierung
ist zwar durchaus kein neues Problem, im Gegenteil hat man sich seitens der Botaniker,
Zoologen und Tierzüchter schon sehr lange damit beschäftigt, aber erst durch das Be-
kanntwerden des Mendelschen Gesetzes und der mit ihm in Verbindung stehenden
Tatsachen ist die Bastardforschung so außerordentlich fruchtbar und für die Vererbungs-
lehre bedeutungsvoll geworden, wie sie sich zurzeit darstellt. — Hier sei schließlich er-
wähnt, daß die ungemein große Fülle der durch mikroskopische Beobachtung wie der
auf dem Weg der Pflanzen- und Tierzüchtung gewonnenen Resultate, sowie auch die
Schwierigkeit des weit verzweigten und auf die verschiedensten Gebiete übergreifenden
Vererbungsproblems, wie schon vorher bemerkt wurde, es als völlige Unmöglichkeit er-
scheinen läßt, ihnen auch nur einigermaßen gerecht zu werden. ODeehalb soll nur
nochmals darauf hbingewiesen werden, daß die Zahl der Forscher, welche sich in dem
Bastardierung.
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