Full text: Deutschland unter Kaiser Wilhelm II. Vierter Band. (4)

  
zis Die landwirtschaftlichen Wissenschaften. X. Buch. 
  
Energiequelle als Ersatz darzubieten. Allerdings hat man in der Beurteilung derselben 
bei näherer Prüfung immer bescheidener werden müssen, da die Wasserkräfte aus einem 
größeren Gebiete nur schwer wirtschaftlich zu vereinigen sind, und da die einzelnen Stel- 
len, wo bei großen Wasserfällen viel Energie konzentriert ist, nicht so häufig sind, als 
man ursprünglich glaubte. Speziell in Norddeutschland sind die hierin zur Verfügung 
stehenden Energiequ#iellen im Verhältnis zum Bedarf des gesamten wirtschaftlichen Le- 
bens verschwindend. In weniger dicht bevölkerten Ländern, z. B. in Norwegen und 
Finnland, sind allerdings noch größere derartige Energiequellen vorhanden, aber auch 
in der neueren Zeit meistens nicht mehr frei zur Verfügung, da bald nach der Erkennung 
ihres Wertes die wirtschaftliche Erschließung für andere Zwecke mit Beschlag belegt wurde. 
Immerhin ist die Möglichkeit, den elementaren Stickstoff aus der Luft zur Herstellung 
von Düngemitteln zu gewinnen, vorhanden und damit die ungeheure Quelle für Stick- 
stoff in der Atmosphäre erschlossen. 
Stalldung. Unter den Düngemitteln nimmt der Stallmist auch in unserer letzten 
— Wirtschaftsperiode noch eine wichtige Stellung ein. Wenn man auch 
eine Zeitlang an seinem Werte für die Düngung der Felder zweifelte, so hat er sich doch 
nach kurzer Zeit wieder als unersetzlich erwiesen. Speziell beim Anbau der Hackfrüchte, 
auch besonders beim Rübensamenbau, kann man den Stallmist zur Erzielung sicherer 
Erträge als nicht entbehrlich bezeichnen, und auch bei den übrigen Feldfrüchten, speziell 
beim Getreide, ist sein Wert unvermindert erwiesen. Diese Tatsache ist für die Land- 
wirtschaft um so bedeutsamer, als der Wert des Stallmistes als Dünger für die 
Rentabilitätsfrage der Rutzviehhaltung meistens von entscheidender Bedeutung 
ist. Würde der in der Biehhaltung erzeugte Dünger als wertlos anzusehen sein, so würde 
diese wesentlich erschwert und die Erzeugung ihrer Produkte stark verteuert werden. Uber 
den Wert des Stallmistes nach vorübergehenden Zweifeln wieder volle Aufklärung ge- 
bracht zu haben, ist aber ebenfalls eine Errungenschaft der hier behandelten 
Wirtschaftsperiode. 
Ferner ist auch die Frage der sogen. Gründüngung in der 
neueren Zeit weiter gefördert worden. Ihre ersten Anfänge 
liegen ja, wenn man von ihrer Anwendung bei den Nömern absieht, bereits 
in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, haben aber doch erst seit den 
achtziger Jahren, und namentlich seit der Verwendung der Thomasschlacke und des 
Kalis als Dünger eine starke Entwicklung erlangt. Mit ihrer Hilfe ist es erst ge- 
lungen, den leichten, namentlich den Sandboden, zu einer hohen Kultur zu bringen, 
indem sie die Möglichkeit gewährt, mit Hilfe der Leguminosen, also durch lebende Orga- 
nismen, ebenfalls den elementaren Stickstoff der Atmosphäre nutzbar zu machen. Der 
Fortschritt, den die neuere Zeit brachte, war aber der, daß man auch auf besserem Boden 
diese Stickstoffgewinnung aus der Luft mit Hilfe der Leguminosen zum Zwecke der Grün- 
düngung versuchte. Durch den Anbau von Ackerbohnen, Erbsen und Wicken, wie vor allem 
durch den von Gelbklee, kann man auch auf besserem Boden zwischen den Hauptfrüchten 
Gründüngung. 
  
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