X. Buch. Astronomie, Astrophysik, Geodäsie. 124
tenden Erscheinungen, wobei aber der weitergehenden Verschärfung der feinsten Wahr-
nehmungen durchaus keine so engen Grenzen gesetzt sind, wie bei den Winkelmessungen.
Für die Verfeinerung und Sicherung dieser Messungen der Radialbewegungen hat aber
zugleich die Photographie, ebenso wie für die Erweiterung und Vervielfältigung der
Messungen der Ortsveränderungen der Gestirne an der Himmelefläche, außerordentlich
wirksame Hilfe geleistet, insbesondere auch durch die Kultivierung der Dauerphoto-
graphie. Die Frau des englischen Astronomen Huggins war es, die zuerst außerordent-
liche Verstärkungen feinster photographischer Sternaufnahmen erreicht hatte, indem sie
durch ein stetiges Zusammenwirken von Auge und Hand mit einer der Drehung der Erde
entgegenwirkenden Uhrwerkbewegung der Fernrohre die Abbildungen von Stellen
der Himmelsfläche sowohl im Fernrohr für das Auge, als auch in einem genau mitbe-
wegten Fernrohr auf der photographischen Platte stundenlang an einer und derselben
Stelle festhielt und dadurch in der lichtempfindlichen Schicht der Platte jeden einzelnen
leuchtenden Punkt sich auf einen minimalen Flächenelement mit schärfster Sonderung
und stärkster Summation der einbohrenden Wirkungen abbilden ließ. Hierdurch wurden
zunächst die Sichtbarkeitsgrenzen der Gestirne außerordentlich erweitert.
Die Sterne, die für das unbewaffnete Auge am mondlosen, dämmerungs- und dunst-
freien Nachthimmel für das unbewaffnete Auge an der Grenze der Sichtbarkeit sind,
werden als Sterne 6. Größe bezeichnet, und jeder Stern, dessen Lichtstrahlung /10
von derjenigen der Sterne 6. Größe beträgt, wird zur nächsthöheren, also zur 7., um
eine Größenklasse schwächeren Sterngröße gerechnet, und so geht es fort von Größen-
klasse zu Größenklasse. In unsern stärksten Fernrohren können wir mit dem Auge Sterne
etwa bis zur Größenklasse 15 eben noch erkennen. In den Himmelsaufnahmen mittels
der Dauerphotographie kommen wir aber noch um mehrere Größenklassen weiter, so“
daß die Grenze sich noch gar nicht abschließend angeben läßt. Wir kommen also, wenn
wir in der uns umgebenden Sternenwelt annehmen dürfen, daß im großen und ganzen
die lichtschwächeren Sterne die entfernteren sind, durch die dauerphotographischen Auf-
nahmen der ganzen Himmelsfläche, die jetzt im Werke sind, immer umfassender und weit-
reichender allmählich zur Kenntnis der Orte und Ortsveränderungen von so weit ent-
fernten Sternen, daß wir dadurch immer mehr Ruhepunkte gewinnen, an denen unsere
eigenen Bewegungen nur als unmerklich kleine Winkelbewegungen erscheinen, während
zugleich die wirklichen Ortsveränderungen dieser fernsten Sterne für uns ebenso nur
unter unmerklich kleinen Winkeln gesehen werden. In den Ortsveränderungen dieser
fernsten Sterne gegen die Fixpunkte werden hiernach eigentlich nur noch die Lagen-
änderungen dieser letzteren zutage treten.
Biel unmittelbarer bedeutsam und
förderlich geworden ist aber die Dauer-
photographie für die Sicherung der
Feinheit und Eindringlichkeit der Messungen der Radialbewegungen der Sterne
mittels der spektralen Zerlegung und Wellenlängenmessung ihres Lich-
tes. Und hierfür sind die obenerwähnten Potsdamer Messungereihen ein ent-
Die spektroskopischen Doppelsterne als
sogenannte „Veränderliche Sterne“.
1269