Full text: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft. Neunter Band. Jahrgang 1853. (9)

Studien über württembergische Agrarverhältnisse. 421 
Grossen und Ganzen also angesehen, lässt sich nicht annehmen, 
dass die Auswanderung als ein Mittel wirken werde, das Miss- 
verhältniss zwischen Boden und Bodenbesitzer zu verbessern oder 
auch nur die immer weiter gehende Verkleinerung der Grund- 
besitzungen als Folge der Bevölkerungszunahme aufzuhalten. 
Höchstens sind es einzelne. Gemeinden, welche sich wirksam de- 
durch helfen können, und es wirklich wenigstens für eine Zeit- 
lang thun, und wir wollen diese günstige Seite der Auswanderung 
neben ihren sehr vielen und schlimmen Uebeln dankbar hinnehmen. 
Aber das sind meist nur die- bessern Orte, die sich in solcher Weise 
zu helfen suchen. Die ärmeren Gemeinden, wo die Vermögens- 
zersplitierung und daneben die Verschuldung grosse Fortschritte 
gemacht hat, sind gewöhnlich viel zu arm, als dass sie sich durch 
Auswanderung der ungenügend Beschäfligten eine wesentliche Er- 
leichterung zu verschaffen vermöchten. Diejenigen ihrer Angehö- 
rigen, die noch elwas haben, können nicht fort, weilsie ihre Liegen- 
schaften ohne den grössten Nachtheil nicht zu verkaufen im Stande 
sind, und die Aermeren und Armen können nicht fort, weil ihnen die 
Auswanderungskosien zu schwer fallen, die Gemeinden aber eben- 
falls zu mittellos sind, um ihnen das Geld dazu zu verschaffen. 
Unsre Verhältnisse sind in dieser Beziehung wesentlich von 
denjenigen verschieden, welche jetzt in Irland den massenhaften 
Exodus möglich machen und, wie es scheint, in verhältnissmässig 
kurzer Zeit der englischen Bevölkerung auch der Zalıl nach das 
Uebergewicht über die irische verschaffen werden. Dort hat in 
der Regel der kleine irländische Pachibauer kein schwer zu ver- 
werthendes Besitzthum aufzugeben, ehe er fort kann, und die 
Auswanderungskosten betragen wenig über zwei Drittel der 
Summe, die sie bei uns ausmachen. Die Auswanderungssucht 
hat also, .um sich Befriedigung zu verschaffen, dort keine so 
grossen Schwierigkeiten zu überwinden, als bei uns. 
Noch ist schliesslich ein Moment zu erwähnen, welches eine 
Gegenwirkung gegen die vorhandene und die fortschreitende 
Verkleinerung der Grundbesitzungen hervorbringen kann, nämlich 
die Bildung neuer grösserer Landgüter durch Uebergang des 
übermässig verkleinerten und verschuldeten Besitzes in die Hand 
grösserer Kapitalisiten.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.