Full text: 180 deutsche Musteraufsätze.

der Arbeit und mit hungerndem Magen verflossen. Da der 
grothant verdorben war, konnte nichts verabreicht werden. Den 
andern Tag „flaute der Wind ab“, wir konnten unser Zeug trocknen, 
aber dem Ragen nichts anbieten. Wir fuhren deshalb nach Apen- 
rade zurück, warfen Anker und machten einen Kutter klar, um ans 
Land zu fahren und Proviant einzukaufen. Der. Zahlmeister kam 
auch mit schönen Portionen zurück. Diese wollten jedoch bei unseren 
ausgehungerten Magen nicht zulangen. Der andere Tag war ein 
Sonntag, wir wurden alle bis auf die Wache beurlaubt und konnten 
ans Land gehen. Hier amüsierten wir uns alle köstlich; wir borgten 
uns von den Einwohnern Säcke, Taue usw., begaben uns auf einen 
freien Platz und vergnügten uns mit Sacklaufen, Tauziehen, Wett- 
laufen, Wurstschnappen, Hahnenkampf und verschiedenen anderen 
Spielen. Da einige Faß Bier gespendet wurden, waren die Erleb- 
nisse der vergangenen Woche wieder vergessen, und wir kamen alle 
vergnügt an Bor zurück. Die nächste Woche fing aber wieder sehr 
gut an; wir mußten 4 Tage lang Sperren werfen und aufnehmen; 
wie es dabei zugeht, habe ich schon oben erwähnt. Von hier aus 
fuhren wir nach der Insel Alsen, wo wir uns vor Anker legten: 
auch hier wurden wir beurlaubt. Wir besuchten die berühmten 
Düppler Schanzen. Bei dieser Gelegenheit hielt einer aus unserer 
Mitte über die Erstürmung der Düppler Schanzen einen Vortrag, 
welcher einen großen Eindruck auf uns alle machte, da wir die 
Stellen, wo diese Ereignisse sich abgespielt hatten, in Augenschein 
nehmen konnten. Auch die Gräber der Gefallenen besuchten wir: 
manches Auge wurde trübe, als unser Redner auf den Heldenmut 
der hier ruhenden Krieger hinwies. Voll von den neuen Eindrücken 
kehrten wir des Abends an Bord zurück. Eine frohe Stimmung 
wollte an diesem Tage nicht mehr aufkommen. 
Am andern Morgen fuhren wir nach Kiel zurück. S. M. S. „Nhein“ 
mußte außer Dienst gestellt werden, da es ziemlich mitgenommen 
worden war. Der Kommandant hielt eine Ansprache an die Mann- 
schaften, lobte dieselbe über ihr tapferes Verhalten und brachte 
hierauf drei Hurra auf Se. Majestät aus. Dann wurde die Flagge 
niedergeholt, und wir bezogen die Kaserne. - 
83. Ein Landungsangriff. 
Die Küstenforts sind schon längst besetzt, alles gefechtsbereit, in 
dem Vorterrain Feldwachen, Posten und Patrouillen ausgestellt. 
Die Sperren sind gelegt, Torpedobatterien versenkt. Hinter den 
Sperren befinden sich unsere Küstenpanzer sowie Torpedoboote. 
Gestern wurde in der Nordsee eine große feindliche Flotte „gesichtet“, 
welche den Kurs nach unserer Küste batte. Vor einer Stunde kam 
ein Aviso und meldete, daß der Feind im Anzuge sei. Wir waren 
alle ausgeregt und strengten unsere Augen an, um den Feind zuerst 
zu sehen. Dies hatte jedoch keinen Zweck; denn von dem Entfer- 
mungsmesser waren schon längst Rauchwolken am Horizonte beobachtet 
worden, die darauf schlossen, daß der Feind im Anzuge sei. Es 
dauerte nicht lange, da sah man auch einzelne Punkte, welche mit 
jeder Minute an Größe zunahmen. Der Feind kam in Kiellinie an 
d. h. hintereinander mit ungefähr 300 Meter Abstand. Auf 1000.
	        
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