Full text: 180 deutsche Musteraufsätze.

und da ihre Blätter verlieren: wenn die Luft über der Erde zittert 
und sich jene erdrückende Schwüle einstellt, unter welcher die Spann- 
kraft der Muskeln nachläßt und die Rücksichtnahme auf die Neben 
menschen aufhört: da ertönt wohl oft der Notschrei nach einem 
erfrischenden Gewitter. Alles, besonders der Landmann atmet auf 
wenn sich am Horizont jene dunklen Wolken zeigen, die die 
Nähe eines Gewitters verkünden. Noch mehr aber freut sich alles 
wenn es glücklich vorüber ist, ohne Schaden in Gärten und Felde- 
angerichtet zu haben. Wie ganz anders sieht es jetzt in der Natur 
aus. Gierig hat der trockene Boden das herrliche Naß eingesogen 
Blumen und Gräser, Sträucher und Bäume strecken ihre ehedem 
herabhängenden Zweige wieder nach oben. Das saftige Grün stelln 
sich wieder ein. In der Natur wird es lebendig. Lustiger Vogel- 
sang schlägt an unser Ohr; auf der Wiese ertönt das Gezirpe der 
Grillen, und von dem Teiche her erklingt das Gequake der Frösche. 
Vor allem aber die Menschen, wie sind sie neu aufgelebt unter 
dem erfrischenden Luftzug, welcher dem Gewitter folgt. Da eilt 
der Mensch hinaus in die Natur, vollatinen möchte er sich, voll von 
dieser gereinigten Luft. Wohin sein Auge blickt, überall üppiges 
Wachstum. Weit hinaus dringt das Auge, jene Berge, die vorher 
ein undurchdringlicher Dunftkreis einhüllte, scheinen jetzt in greifbare 
Nähe gerückt zu sein. 
Ist schon die Wirkung eines Gewitters auf dem Lande wohl- 
tätig und erfrischend, wie viel mehr ist dies aber in der Stabl. 
In Städten, wo infolge der hohen Häuser, engen Straßen und der 
Fabriken die Hitze sich oft bis zur Unerträglichkeit steigert, wirkt das 
Gewitter belebend auf Geist und Körper der Menschen und Tiere. 
Die Geschöpfe, die jetzt so frisch dahinschreiten, sie fühlen sich von 
einem Bann erlöst. 
Mit der erwachten Arbeitskraft steigert sich der Verkehr. Das 
Geschäftsleben wird ein regeres, alles erfüllt wieder mit Freude 
seinen Beruf. Wie ist auch das Heim ein ganz anderes geworden. 
In die Zimmer ist die Kühle des Abends eingedrungen und macht 
sie wieder wohnlich. Erfrischend ist vor allem wieder die Nachtruhe. 
Wir sehen, welche wunderbare Wirkung das Gewitter hat. 
Doch wehe, wenn es über uns hereinbricht, zerstörend und ver- 
nichtend. Alles, was des Menschen Fleiß in langer Arbeit ge- 
schaffen hat, dem Untergang weihend; dann ist das hinterlassene 
Bild ein trauriges, niederschmetterndes. Oder wenn gar ein Blitz- 
strahl das Heim in Flammen setzt, dann wird uns die Ohnmacht 
es Menschen so recht vor Augen geführt. „Hoffnungslos weicht der 
Mensch ger Götterstärke; müßig sieht er seine Werke und bewundernd 
untergehn.“ 
5 wohltätig oft das Gewitter wirkt, so tragisch kann es auch 
für uns enden. 
118. Weihnachten. 
Gedankengang: 
1. Beginn unserer Zeitrechnung. Christi Geburt. 
2. Einleitung des Festes. Christmette. 
3. Sorge der Eltern für das Fest.
	        
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