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Städte, viele tausend Dörfer wurden iu Asche gelegt, viele sind
völlig untergegangen, andere, darin sich neue Einwohner angesiedelt
haben nie wieder den früheren Bohlstand erlangt. Jetzt sind mehr
als zwei Jahrhunderte seit jenem Kriege vergangen, und viele der
alten Reichsstädte, wie Magdeburg, Nürnberg, Augsburg haben
lange Zeit gebraucht, um Aich zu erholen und die Spuren des
Verfalls zu verwischen. 6
Wie der Wohlstand zerrüttet wurde, kann man sich denken
da alles plünderte vom Feldherrn bis zum Gemeinen herab, und da
man mutwillig zerstörte, was man nicht fortschleppen konnte
Selbst die Schweden scheuten sich nicht, kostbaren Schmuck der Kirchen
und große Bibliotheken, z. B. die von Mainz auszuplündern; denn
alles, was dem Feinde zugehörte, war gute Beute. Nur der Boden
blieb dem ausgeraubten Volke, und dem Fleiße des Landmannes
allein verdankte man nachher wieder den langsam keimenden Wohl-
stand. Die Zerrüttung des Handels, die durch den Krieg herbei-
geführt worden war, wurde durch den Frieden noch vergrößert:
denn die Rheinschiffahrt blieb gehemmt, und das vom Reiche
abgesonderte Holland zog alle Tätigkeit und alles Glück an sich,
das sonst die deutsche Hansa begleitet hatte.
Am schlimmsten war es indes um den Geist und um die Sitten
des Volkes bestellt. Unter allen Bekenntnissen riß ein Aberglaube
ein, finsterer als er je im Mittelalter geherrscht hatte. Da die wahre
innere Ehre verloren gegangen war, jagte man nach ihrem eitlen
Scheine, und die Rangsucht bemächtigte sich aller Stände. Die Kur-
fürsten wollten es dem Kaiser oder dem Könige in Frankreich gleich
tun, die kleinen Fürsten den Kurfürsten; der Adel buhlte um Titel
und Ehrenämter an den Höfen: der Bürgerliche wollte sich über
seinen Stand wenigstens zum Scheine durch Pracht und Aufwand
erheben. Für die Freiheit war aller Sinn verloren. Das größte Unglück
aber war die Ausrottung des Nationalbewußtseins. Niemand ehrte mehr
den heiligen Namen des Vaterlandes, seine große Vorzeit war ver-
gessen. Sogar die deutsche Sprache war beinahe vergessen, und man
mischte sie halb mit lateinischen, fran spanischen und italieni-
schen Wörtern, die man den fremden Soldaten seit dreißig Jahren nach-
gelallt hatte. Auch die alte Tracht wurde vergessen; man kleidete
sich nach albernen, wechselnden Moden, in die Trachten derselben Fremd-
linge, die alles Elend und alle Schande ins Land gebracht hatten.
Es kostete das deutsche Volk eine mehr als 200 jährige Tätigkeit,
um sich aus den Schäden des Dreißigjährigen Krieges wieder heraus-
zllarbeiten, denn nur allmählich entwickelten sich in einzelnen
deutschen Gebieten neue Keime staatlichen, gewerblichen und kriege-
rischen Lebens, deren befruchtende Kraft auch auf das ganze Reich
belebend und ernenernd wirkte.
126. Friedrich II., der Große, als Friedensfürst.
Gedankengang:
I. Einleitung. In den Friedensjahren widmete sich König Friedrich
mit dem größten Fleiße den Regierungsgeschäften. Nie hat ein
Fürst tätiger für seines Volkes Glück gesorgt als er.