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und Trachten auf Deutschlands Bersplitterung und Erniedrigung
egangen war, wurde am 18. Januar 1871 durch eine feierliche
Handlumg König Wilhelm als Deutscher Kaiser proklamiert.
Es war der in Preußens Geschichte so denkwürdige Tag, an
dem vor 170 Jahren sein Ahnherr, Kurfürst Friedrich III., sein
Land zum Königreiche erhoben hatte.
Die Fahnen und Standarten der um Paris stehenden Truppen
wurden nach Versailles gebracht. Dann trafen Abordnungen der
Truppen selbst ein. Da standen Preußen, Bayern, Sachsen, Württem-
berger usw. bunt durcheinander; die Feldzeichen der verschiedensten
deutschen Stämme umgaben Preußens König als Beweis, daß das
ganze Volk in Waffen sich um den Deutschen Kaiser scharte, ein
Ausdruck für die volle Einigkeit aller Stämme des großen Vater-
landes. In dem prächtigen Spiegelsaale des Schlosses war ein
erhöhter Platz hergeri tet. Auf diesem versammelten sich die im
Felde anwesenden deutschen Fürsten. Dann trat der König zu ihnen
und sagte mit bewegter Stimme, daß ihm die Kaiserkrone von allen
deutschen Fürsten und freien Reichsstädten und den Vertretern des
Volkes angetragen worden sei, daß er sie annehme, und daß er eine
Proklamation an das ganze deutsche Volk erlasse. Diese wurde
sodann von dem Bundeskanzler Grafen Bismarck verlesen.
Mächtig hatten die herrlichen Worte alle Anwesenden ergriffen.
Nun trat der Großherzog von Baden vor und brachte das erste Vos-
auf den Deutschen Kaiser aus.
Das brauste durch den alten fanzyoschen Königssaal mit einer
Macht, daß die Scheiben klirrten; draußen aber donnerten deutsche
Kanonen dazwischen, daß der Feind hinter seinen fast zerschmetterten
Wällen zitterte wie Espenlaub; die Brust der hier versammelten
deutschen Männer durchwogte es in höchster Begeisterung, in ge-
waltigster Rührung, und dem greisen Kaiser stürzten die hellen
Tränen aus den Augen. Der Kronprinz von Preußen huldigte dem
Kaiser zuerst durch Handkuß — aber der Vater schloß ihn in die
Arme und küßte ihn. Als der Kaiser das Königsschloß verließ,
sank die Hohenzollernfahne nieder, und die neue deutsche Kaiser—
ahne rauschte in die Hoht Der langgehegte Traum des deutschen
olkes war jetzt zur Wahrheit geworden.
130. Kaiser Friedrich III.
Gedankengang:
1. Seine Jugendzeit.
2. Seine Vermählung.
3. Sein Ruhmesweg.
4. Kaiser Friedrichs Friedensliebe, seine Liebe zur Wissenschaft
und Kunst.
5. Kaiser Friedrichs kurzes Regiment und Ende.
6. Seine vorbildliche Herrschertugend.