Full text: 180 deutsche Musteraufsätze.

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richtige anerkennen, und daß sie dieselbe am liebsten sich auch an— 
eignen möchten. Aber darin besteht der Frrtum der Menschen; denn 
sie erkennen und beachten nicht, daß ihre Ansichten verkehrt sind, indem 
sie wohl die Mängel anderer herauszustreichen wissen, aber ihre 
eigenen nicht finden. Von denselben können sie sich ihr Leben lang 
nicht trennen: sie sind ihnen zur andern Natur geworden. Darum 
ist die Welt voller Narren, und sie werden auch nie aussterben. 
Ein wahrer Narr aber ist Meister Pfriem, in W. Grimm's 
Erzählung, an dem wir lernen können, wie wir es nicht machen 
sollen. 
Meister Pfriem war ein kleiner, hagerer Mann, der keinen 
Augenblick Ruhe hatte. Sein Gesicht war leichenblaß, sein Haar 
grau und struppig, seine Augen klein aber blitzend. Er tadelte alles, 
wußte alles besser und hatte in allem recht. Seines Handwerks war 
er ein Schuster. Kein Geselle blieb länger als einen Monat bei ihm; 
denn niemand konnte ihm etwas recht machen. Bald waren die 
Stiche nicht gleich, bald war ein Schuh länger, bald ein Absatz höher 
als der andere, bald war das Leder nicht hinlänglich geschlagen. 
Er nannte sie alle Faulenzer, trotzdem er selber keine Viertelstunde 
ruhig sitzen bleiben konnte. Bauten die Zimmerleute ein Haus, so 
machten sie es ihm nicht recht, und er wollte es ihnen dann selbst 
zeigen, wie sie es anfangen sollten. Meister Pfriem träumte in einer 
Nacht, er wäre gestorben und befände sich auf dem Wege zum 
Himmel. Auf sein Anklopfen öffnete der Apostel Petrus und wollte 
sehen, wer so ungestüm Einlaß begehrte. Als ihn Petrus erkannte, 
warnte er ihn, von seiner Gewohnheit abzulassen und nichts zu 
tadeln, was er im Himmel sähe; es würde ihm sonst übel bekommen. 
Meister Pfriem konnte das Tadeln aber auch im Himmel nicht lassen, 
und deshalb wurde er von einem Himmelsbewohner am Kragen 
gepackt und mit unwiderstehlicher Gewalt hinausgeschoben. Aber er 
tadelte auch nach dem Traume fort. 
Zum Narren machen sich auch diejenigen, die die Nase zu hoch 
tragen, mit Geld prahlen oder sich auf ihre Schönheit und stattliche 
Figur etwas einbilden. Auch durch Schüchternheit und Ubereilung 
kann der Mensch zum Narren werden; solches sehen wir an Max 
Stolprian, von H. Zschokke erzählt. Dieser wurde von seinem Vetter 
eingeladen, mit ihm zu speisen. Aber statt der Serviette knüpfte er 
einen Zipfel vom Tischtuche in die Weste. Als er sich nun den 
Schweiß von der Stirn abwischen wollte, machte er sich mit seinem 
Taschentuche ganz schwarz; denn er hatte vorher unvorsichtiger Weise 
den Inhalt des Tintenfasses statt den des Sandfasses auf das Papier 
geschüttet und dann die Tinte mit dem Taschentuche abgewischt. 
Als sich nun ein großes Gelächter und Zetergeschrei über sein schwarzes 
müht erhob, sprang er vom Tische auf und zog das Tischtuch, 
dessen 9 fel er in dem Knopfloche der Weste unten befestigt hatte, 
hinter sich her. Daraus, daß er sich nicht in große Gesellschaft wagte, 
läßt sich seine Schüchternheit erkennen. Durch seine Unbeholfenheit 
machte er sich lächerlich. 
So beweisen die angeführten Beispiele, daß die Menschen durch 
ihre Handlungsweisen zu Narren werden, und daß die Welt mit 
ihnen angefüllt ist.
	        
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