Full text: 180 deutsche Musteraufsätze.

Reichtümer, so daß man mit dem Ausdrucke „Reichtümer des Krösus“ 
Päter unermeßliche Schätze überhaupt bezeichnete. Stolz auf den 
Besitz dieser Güter, ergab er sich einer ausschweifenden Prachtliebe 
und hielt sich für den Beglücktesten aller Sterblichen. Als einst 
Solon, einer der sieben Weisen Griechenlands, an seinen Hof kam 
zeigts er ihm alle seine Schätze und fragte ihn endlich, wen er für 
en Glücklichsten aller Menschen hielte. Als dieser ihm einen Athener 
Namens Tellus, und zwei Jünglinge, Cleobis und Biton, aus Argos, 
nannte, fragte er ihn, warum er nicht ihn, den reichsten, unter die 
Glücklichen rechne. Solon antwortete ihm hierauf: „Niemand ist 
vor seinem Tode glücklich zu preisen“ und verfiel gänzlich der Un- 
gnade des Krösus. Bald jedoch sollte jener die Wahrheit dieses 
Ausspruches in ihrer ganzen Stärke an sich selbst erfahren. Sein 
geliebter Sohn Atys wurde auf der Jagd durch den Jüngling 
Adrastes aus Versehen getötet. Ihm blieb nur noch ein stummer Sohn 
übrig. Dieser war wegen des Verlustes der Sprache ein Gegenstnd der 
größten Trauer und verursachte ihm unsäglichen Schmerz. Er selbst aber 
wurde von Cyrus, den er nach einer falschen Deutung des delphischen 
Orakels angegriffen hatte, geschlagen und nach der Eroberung von 
Sardes gefangen und zum Scheiterhaufen verurteilt. Eingedenk der 
solonischen Ermahnung rief er in der größten Verzweiflung dreimal 
„O Solon, Solon, Solon!“ Als Cyrus den Sinn dieses Ausrufs 
erfuhr, wurde er dadurch so gerührt, daß er ihm Leben und Freiheit 
schenkte. Er machte ihn zum steten Begleiter und Ratgeber auf 
seinen Feldzügen und behandelte ihn außerordentlich mild. 
Krösus ist daher ein lehrreiches Beispiel des Glückswechsels und 
der Grundlosigkeit des menschlichen Vertrauens auf irdische Güter. 
Es ergeht daher an jeden die Mahnung, im Glücke bescheiden 
zu sein. Auch wenn es ihn bis zum Gipfel der menschlichen Höhe 
getragen hat, ihn mit seinen holden Augen anlächelt, soll niemand 
vergessen, daß das Unglück auf ihn lauert, wie der Feind vor einer 
Feste, um beim Offnen der Tore einzudringen. Doch auch im Unglück 
sollen wir ausharren wie ein Fels im Meer, der die Wogen, mit 
denen ihn der Sturm peitscht, bricht. Und wie der Steuermann 
getrost, auch im größten Unwetter sein Schiff regiert, so sollen auch 
wir das unglück standhaft ertragen und nicht unter seiner Last ver- 
zweifeln. ir sollen: „Im Glück uns mäßigen, im Sturm nicht 
zagen, das Unvermeidliche mit Würde tragen.“ 
147. Aller guten Dinge sind drei. 
Gedankengang: 
I. Einleitung. Unsere deutsche Sprache ist reich an Sprichwörtern. 
II. Ausführung. 
1. Die Drei spielt eine nicht unbedeutende Rolle 
àa) in der Religion, 
b) in der Natur, 
) bei allen Geschöpfen.
	        
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