Full text: 180 deutsche Musteraufsätze.

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Blick auf die Wohlenburger Wiek und das Meer, soweit das Auge 
reichte, ganz erfüllt mit den in zwei Linien hintereinander auf- 
ebauten Fahrzeugen der Schlachtflotte. In der ersten Linie in der 
Pohlenburger Wiek selbst nur 600 bis 800 Meter vom Strande, die 
Küstenpanzer und kleinen Kreuzer und daneben die schwarze Schar 
der Torpedoboote, sehr viel weiter draußen (17 Kilometer) im 
offenen Meer in einer langen Linie die zehn großen Fahrzeuge, die 
Linienschiffe und großen Kreuzer. 
Der Kaiser hielt lange Zeit mit seinem Stabe hinter dem Pferds- 
berge und unausgesetzt gingen von dort aus die Flaggen und junen- 
signale nach den Kriegsschiffen hinüber. Gegen 9 Uhr fiel bei 
Hockendorf der erste Schuß, und bald donnerte es auf der ganzen 
Artillerielinie auf den Höhen und im Tal: ein Zeichen, daß das 
Gardekorps, von dem zunächst nichts zu sehen war, sich zum Angriff 
zu entwickeln begonnen hatte. Gleich darauf eröffneten auch die in 
der Bucht liegenden kleinen Kriegsschiffe das Feuer auf den anrückenden 
Feind. Natürlich schossen sie, da sie den Gegner selbst nicht zu sehen 
imstande waren, nach der in Quadrate eingeteilten Karte und nach 
den Signalen, die ihnen vom Pferdsberge aus zugingen. Die Ver- 
ständigung mit den Flaggen ging übrigens außerordentlich rasch. 
hunenhal fünf Minuten war der Flotte mitgeteilt worden, daß der 
Feind auf Quadrat 36 zu treffen sei, und unmittelbar darauf zeigten 
die von Bord aufsteigenden Rauchwolken, daß alle Befehle velstanlden 
und sogleich ausgeführt seien. 
Unter der Wirkung dieses Artilleriefeuers und der außerordentlich 
starken Stellen von Rot einen Angriff auf die Höhen von Hocken- 
orf-Manderow zu unternehmen, war ein Wagnis, das im Ernst- 
falle wohl kaum mit einem Armeekorps auszuführen gewesen wäre. 
Aber unter dem Schutze der Loßen Wälder, die von Süden und 
Osten her der Stellung von Rot vorlagen, wagte das Gardekorps 
dennoch den Angriff. Während es seine 1. Garde-Infanteriedivision 
auf die linke Flanke der Gegend bis auf Weiterdorf vorschickte, eine 
Bewegung, die unter Mitwirkung einer Attacke der Kovallerie= 
division A abgewiesen wurde, griff die 2. und 3. Garde-Infanterie- 
division den rechten Flügel der roten Stellung mit großer Heftigkeit 
an. Zwischen Hunderstorf-Barendorf attackierte mit lünberkechung 
ihrer beiden Maschinengewehrabteilungen die Garde-Kavalleriedivision, 
und vor uns im Jameler Forste entwickelte sich ein hartnäckiges 
Waldgefecht. Unheimlich hallte das Geknatter zwischen den Bäumen 
wider, und dazwischen donnerte aus hunderten von Geschützen 
gleichzeitig das Artilleriefeuer. Ein großartiger Moment, dem auch 
die Kaiserin von der Hockendorfer Höhe aus beiwohnte, die kurz 
vorher mit der Großherzogin von Mecklenburg und der in schlichtem 
dunklem Jackett auf dem Rücksitz fahrenden Herzogin Cäcilie, der 
Braut des deutschen Kronprinzen, im vierspännigen Jagdwagen von 
Hockendorf herauf gekommen war. 
Aber noch war der Höhepunkt des Gefechtstages nicht gekommen. 
Noch lagen die Schützenlinien des IX. Korps vor der Artillerie- 
stellung in ihren durch Zweige und Kartoffelkraut vollständig 
unsichtbar gemachten Stellungen. Bis an den Waldrand ließen 
sie ihre Vortruppen zurückdrängen. Aber plötzlich, gegen 10; Uhr, 
erschien auf der Höhe des Pferdsweges die Kaiserstandarte, und
	        
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