Full text: 180 deutsche Musteraufsätze.

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Kaisers Geburtstag! Welches freudige Gefühl durchströmt die 
Brust eines jeden Deutschen un besonders eines jeden Soldaten bei 
diesem Ausruf! Wieviel erhebende und freudige Erinnerungen 
knüpfen siche an diese schönste aller Feiern, und noch lange Jahre, 
wenn die Dienstzeit längst vorüber, wenn wir den Ehrenrock längst 
abgelegt haben, werden wir uns an diesen schönsten Tag unserer 
Soldatenzeit mit Freude erinnern. 
Schon viele Wochen vor dem Geburtstage unseres allerhöchsten 
Landesherrn wird von den einzelnen Kompagnien (Eskadrons, 
Batterien) mit den Theater-, Gesangs= und sonstigen Proben zu 
lebenden Bildern usw. begonnen. Da wird fleißig gelernt und 
geübt; ein jeder Truppenteil, ja jeder einzelne Mitspieler, sucht sein 
Bestes an dem Tage hierin zu leisten. In der Regel hat ein 
älterer gewandter Unteroffizier, in den meisten Fällen jedoch der 
Wachtmeister Eeldwebel die Leitung des Ganzen in der Hand, 
damit an dem Tage des eigentlichen Festes ja alles „klappt“. 
Einige Tage zuvor findet die Hauptprobe statt. Der gestrenge 
Herr Hauptmann Witimehteer überzeugt sich noch einmal persbnlich 
von dem Können seiner Spieler, verbessert hier und da, tadelt oder 
lobt je nach den Leistungen diesen oder jenen und ermahnt schließ- 
lich die Mitwirkenden, bei der Hauptvorstellung ja recht kaltes Blut 
zu bewahren. Der Saal wird festlich geschmückt, mit grünen Zweigen 
geziert und mit Fassen, Helmen usw. geschmückt. 
Aber auch die Kaserne wird nicht vergessen. Ein Petteifern- 
entsteht. unter den einzelnen Kompagnien; jede will die andere 
(Eskadron, Batterie) in der Ausschmückung ihrer Räumlichkeiten 
übertreffen. Eine ganz besondere Sorgfalt und ein oft nicht zu 
unterschätzender Kunstsinn wird hierin entwickelt. 
Inzwischen ist der Vorabend herangekommen. Das Musikkorps 
und die Spielleute des Regiments haben sich auf dem Marktplatz 
des Garnisonstädtchens versemmelt, und Punkt 9 Uhr ertönen die 
erhebenden, packenden Klänge des großen Zapfenstreiche. Unter 
der Führung des Regiments-Adjutanten und unter dem Geleite von 
kommandierten Fackelträgern setzt sich der Zug in Bewegung und 
endet in der Regel, nachdem die Hauptstraßen durchschritten sind, 
auf dem Kasernenhofe. Die ergreifende Melodie des schönen Liedes: 
„Ich bete an die Macht der Liebe!“ und das Abschlagen zum Gebet 
eschließen für diesen Abend den Beginn der Feier. 
In ähnlicher Weise findet am andern Morgen, also am Tage 
des eigentlichen Festes, die Reveille statt. 
Im Laufe des Vormittags folgt nun feierlicher Gottesdienst 
und hierauf glänzende Parade der ganzen Garnison. Die Stadt 
bar inzwischen auch ihr Festkleid angelegt. Die meisten Gebäude 
aben geflaggt; alle Landesfarben findet man in der Regel vertreten, 
und die meisten Bewohner lassen es sich nicht nehmen, diesen höchsten 
patriotischen Festtag mitzufeiern. In Scharen strömen sie herbei, 
N- das schöne Schauspiel einer großen Parade nicht entgehen 
zu lassen. 
Nach beendetem Vorbeimarsche rücken die Truppen in ihre 
Kasernements, und nun beginnt das Festessen. Die Küche spendet 
saftigen Braten, die Kantine gutes Bier. Ein jeder behauptet, 4% 
gut wie an diesem Tage hätte es im ganzen Jahre nicht geschmeckt. 
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