Rechtsverhältnisse der Untertanen. $ 228, 983
Stand hatte sein eigenes Privatrecht. Der Übertritt aus einem
Stande in einen andern war außerordentlich erschwert. Angehörige
des einen Standes durften die Beschäftigungen des andern Standes
in der Regel nur mit besonderer obrigkeitlicher Erlaubnis betreiben.
Eine gleiche Erlaubois war zum Erwerb von Grundbesitzungen
eines andern Standes (z. B. von Rittergütern oder Bauerngütern
durch Bürgerliche, Bauerngütern durch Adelige) erforderlich !,
Diese Verhältnisse erfuhren im Anfang des neunzehnten Jahr-
hunderts eine durchgreifende Umgestaltung. Bei der Auflösung
des Reiches behauptete sich nur ein kleiner Teil der Fürstenhäuser
im Besitz der Landeshoheit und bewahrte den Charakter regierender
Familien. Die meisten dagegen wurden der Regierungsgewalt ihrer
früheren Mitstände unterworfen, wenn auch Rheinbundsakte und
Bundesakte bemüht waren, ihnen eine besonders privilegierte
Stellung zu sichern. Der frühere Reichsadel verlor ebenfalls seine
Unmittelbarkeit und trat in das Verhältnis von Landesuntertanen,
Die Unfreiheit des Bauernstandes wurde aufgehoben, die scharfe
Trennung der Stände voneinander beseitigt. Die Verfassungen
sprachen meist den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz aus.
Nichtsdestoweniger hewahrte der Adel noch längere Zeit eine Reihe
wertvoller Vorrechte, insbesondere Vertretung in den Landtagen,
Patrimonialgerichtsbarkeit und Patrimonialpolizei, privilegierten
Gerichtsstand usw. Erst die neuere Gesetzgebung, namentlich
seit dem Jahre 1848, hat auch diese allmählich beseitigt und den
Adel in fast allen Beziehungen den übrigen Staatsangehörigen
gleichgestellt.
Als bevorrechtigte Stände sind vom Standpunkte des heutigen
Rechtes noch anzusehen:
1. die Mitglieder der regierenden Fürstenhäuser;
2. die standesherrlichen Familien, d. h. diejenigen,
welche im Deutschen Reiche Reichsunmittelbarkeit, Landeshoheit
und Reichsstandschaft besaßen, jedoch zu Anfang des neunzehnten
Jahrhunderts mediatisiert wurden;
3. in sehr beschränktem Umfange der Adel.
1. Die Mitglieder der regierenden Fürstenhäuser'.
8 228.
Zu den Mitgliedern der regierenden Häuser ge-
hören [ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit?]: 1. die
ı Preuß. ALR T. II Tit. 7—9.
ı H. Schulze, Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser
(1862-88); Heffter, Die Sonderrechte der souveränen und der mediatisierten
Häuser Deutschlands (1871); H. Schulze, Deutsches Fürstenrecht in der
Enzykl., 5. Aufl., 1349 ff.; Derselbe, Deutsches Staater. 1 $$ 154ff.; Rehm,
Das landesherrliche Haus, sein Begriff und die Zugehörigkeit zu ihm (1901);
Derselbe, Modernes Fürstenrecht (1904); Derselbe, Die überstaatliche Rechts-
stellung der deutschen Dynastien (1907); Brie, Art. Landesherrliches Haus,
WStVR 2 718ff.; Anschütz, Enzykl. 91, 92; Opet, DJZ 1908 139 ££., 189;