Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

BRechtsverhältnisse der Untertanen. $ 224. 973 
Das Recht der Petition und Beschwerde steht im allgemeinen 
sowohl Ausländern als Inländern zu. In denjenigen deutschen 
Staaten, in welchen dasselbe den Staatsangehörigen ausschließlich 
vorbehalten ist, kann es kraft Art. 3 der Verf. jedenfalls auch 
von den Angehörigen anderer deutscher Staaten in Anspruch ge- 
nommen werden®. 
Zweites Kapitel. 
Die Pflichten, 
8 224. 
Dem Rechte des Staates auf Beherrschung entspricht die 
Pflicht der Untertanen zum Gehorsam. Unter diesem Gesichts- 
punkt lassen sich alle einzelnen Verpflichtungen der Untertanen 
zusammenfassen !. In bundesstaatlichen Verhältnissen besteht die 
% Praktische Bedeutung hat die Frage namentlich für Bayern hinsicht- 
lich der sogenannten Verfassungsbeschwerde (Verf. Tit. VII $ 21). Anderer 
Ansicht: Seydel, Bayerisches Staatsrecht, 2. Aufl., 1 371ff., weil Art. 8 die 
Einräumung politischer Rechte an die Angehörigen anderer deutscher Staaten 
nicht gebiete. Das Beschwerderecht ist aber nicht den politischen, sondern 
den bürgerlichen Rechten zuzuzählen, so auch Piloty in seiner Neubearbeitung 
des Seydelschen Werkes: Seydel-Piloty 1 326 Anm. 32. UÜbercinstimmen 
betreffs der rechtl. Natur des Petitionsrechts: Anschütz, Komm. 96, 544, 545; 
Giese, Grundrechte (1905) 123; Loening a. a. 0. 27ff. Betreffs der Petitionen 
von Ausländern gelangt Loening in Übereinstimmung mit v. Roenne, Born- 
hak, Schwartz, Arndt und der Praxis des preuß. Hauses der Abgeordneten 
zu der Ansicht, daß jedes der beiden Häuser des Landtags zuständig, aber 
nicht verpflichtet sei, solche Petitionen der Beratung und Beschlußfassung 
zu unterziehen. Das Herrenhaus hat sich durch Beschluß vom 1. Dezember 
1904 dieser Auffassung angeschlossen. 
ı Im mittelalterlichen Staat lag den Untertanen die Pflicht zur Treue 
ob, d. h. die Pflicht, das Interesse des Herrschers nach bestem Wissen und 
Vermögen zu fördern; die Treupflicht hatte einen durchaus subjektiven, 
persönlichen Charakter. An die Stelle derselben ist im modernen Staat die 
objektive Pflicht des Gehorsams getreten: V. Ehrenberg, Kommendation 
und Huldigung nach fränkischem Recht (1877) 1ff.; Jellinek, System 197 ff, 
sowie besonders R. Wiesmann, Treueid und Treupflicht der Untertanen nach 
deutschem Staatsrecht (1911). — Auch für das heutige Recht wird neben 
der Gehorsamspflicht von manchen Schriftstellern noch eine besondere Pflicht 
der Treue angenommen, d. h. die Pflicht, gewisse Handlungen zu unter- 
lassen, welche auf cine Beschädigung des Staates abzielen. Als Verletzung 
der Treupflicht erscheint ihnen namentlich die Begehung von Hochverrat 
und Landesverrat (Laband, Stantsr. 1 148fi.; H. Schulze, Lehrbuch des 
deutschen Staatsrechtes 1 8 141 S. 354 ff.; v. Seydel-Filoty, Bayer. StR 1 
167; Gareis, Allgemeines Staatsrecht, in Marquardsens Handbuch 144 ff.; 
v. Rirchenheim, Lehrbuch des deutschen Staatsrechtes 145; Haenel, Deutsches 
Staatsrecht 1 357; Zorn, Staatsr. 1 375. — Aber die Unterlassung dieser 
Handlungen ist ebenfalle weiter nichts als ein Gehorsam gegenüber gewissen 
Verboten des Staates. Übereinstimmend: Ehrenberg in der Deutschen Rund- 
schau 10 Heft 7 S. 51; Stoerk in v. Holtzendorffis Handbuch des Völker- 
rechtes 2 634 und in v. Holtzendorffis Enzyklopädie (5. Aufl.) 1082; Bornhak, 
Preußisches Staatsrecht 1 256; Allgemeine Staatslehre 82; Jellinek, System 
197, 198; Wiesmann a. a. O. 96, 97; im wesentlichen auch v. Bar, Theorie 
und Praxis des internationalen Privatrechtes 1 181 N. 8.
	        
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