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Normen über die Behandlung der Vereine für alle deutschen
Stasten aufzustellen. Er ist jedoch in vielen Ländern nicht ein-
geführt, in anderen nach Auflösung des deutschen Bundes wieder
beseitigt worden. [In den meisten Staaten ergingen seit 1848 zur
Regelung des Vereins- und Versammlungswesens Landesgesetze.
Sie bezogen sich durchweg sowohl auf Vereine wie auf Versamm-
lungen, erstreckten sich nur auf die öffentlichrechtliche, insbesondere
lizeirechtliche Seite der Materie und ließen die privatrechtlichen
erhältnisse der Vereine unberührt?. An die Stelle dieser parti-
kularen Vereinsgesetze sind reichsgesetzliche Namen getreten. Zu-
nächst hat sich das Reich darauf beschränkt, das Vereins- und
Versammlungswesen in einzelnen Richtungen und Beziehungen zu
ordnen !9; im Jahre 1908 aber entschloß es sich zu einer zusammen-
fassenden Regelung der Materie: Reichsvereinsgesetz vom
19. April 1908'!. Dieses Gesetz (RVG) ersetzt und beseitigt
die erwähnten Landesgesetze. Es enthält die Anerkennung der
Versammlungs- und Vereinsfreiheit und eine erschöpfende Ordnung
der polizeirechtlichen Beschränkungen dieser Freiheit. Die privat-
rechtlichen Verhältnisse der Vereine einschließlich der Frage des
Erwerbs der Rechtsfähigkeit regeln sich nicht nach dem RVG,
sondern nach dem BGB und den besonderen, auf Wirtschafts-
genossenschaften, Handelsgesellschaften und Gesellschaften mit
beschränkter Haftung bezüglichen Privatrechtsgesetzen des Reiches].
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[Nach dem RVG unterliegen nichtpolitische Vereine
nur der Beschränkung, daß ihre Zwecke nicht den Strafgesetzen
zuwiderlaufen dürfen (RVG 88 1, 2!., Die früher bestehenden
Verbote gegen Arbeiterkoalitionen sind durch die GewO beseitigt
worden?. Ebenso ist die für die Errichtung von Aktiengesell-
schaften erforderliche staatliche Genehmigung reichsgesetzlich auf-
gehoben®. Die Rechtsfähigkeit (Eigenschaft als juristische
® Ein Verzeichnis dieser Landesgesetze in der Voraufl. $ 230 Anm. 9
Literatur über sie dort Anm. 1.
10 (Vgl. Reichstegswahl es. vom 81. Mai 1869, 8 17; GewO 8$ 152, 153;
StraB 88 128, 129; MilStrG o 101; RMilGes. $ 49 Abs. 2; Ges. betr. das
Vereinswesen vom 11. Dez. 1899 (RGBI 699). Diese Gesetze sind auch nach
dem RVG in Kraft ‚geblieben, soweit sie durch dessen $ 23 nicht abgeändert
oder aufgehoben worden sind)
11 [Abgeändert durch RGes. vom 26. Juni 1916, RGBI 685 (Bestimmungen
zugunsten der Assoziationen von Arbeitgebern und Arbeitern, insbesondere
der Gewerkschaften) und RGes. vom 19. April 1917, RGBI 361 (Aufhebung
der Vorschrift, wonach Verhandlungen in öffentlichen Versammlungen in
deutscher Bprache zu führen sind)].
I Ein Verein, dessen Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft, kann auf-
gelöst werden: RVG $ 2.
» RGewO vom 1. Juli 1883 SS 152—154. [$ 153 aufgehoben durch G.
vom 22. Mai 1918, RGBI 423].
® RG, betr. die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktien-
gesellschaften, vom 11. Juni 1870 und 18. Juli 1834.