90 Erster Teil. Erstes Buch. $$ 27, 28.
Dem Erzbischof von Mainz als Reichserzkanzler stand das
Recht der Visitation des Reichshofrates zu!?, welches jedoch
tatsächlich nicht ausgeübt wurde.
8 27.
Auch der Reichstag besaß in den letzten Zeiten des Reiches
eine Gerichtsbarkeit. Dieselbe erstreckte sich auf folgende
Gegenstände:
1. die Entsetzung der Reichsstände von Stand-
schaft und Landesboheit. Diese Angelegenheiten waren
nach den älteren gesetzlichen Bestimmungen! der persönlichen
Entscheidung des Kaisers vorbehalten, welche unter Zuziehung
von Fürsten zu erfolgen hatte. Seit Karl VI. wurden dieselben
als Sache des Reichstages angesehen; es bildete sich der Grund-
satz aus, daß die Absetzung eines Reichsstandes oder Landes-
herrn nur durch einen Reichsschluß erfolgen könne?;
2. die Entscheidung derjenigen Streitsachen, hinsichtlich
welcher in einem der obersten Reichsgerichte itio in partes
stattgefunden hatte?;
3. die Erledigung der Rekurse vom Reichskammergericht*®.
8 28.
Reichsuntergerichte waren:
l. Die Austräge. Sie sind aus vertragsmäßigen Ver-
einbarungen der Reichsstände und Reichsunmittelbaren hervor-
gegangen. Da die königliche Gerichtsbarkeit in den letzten Jahr-
hunderten des Mittelalters fast bedeutungslos geworden war, so
suchten diese für eine Entscheidung ihrer Streitigkeiten durch
Einsetzung von Schiedsgerichten Sorge zu tragen. Solche Schieds-
gerichte bezeichnete man als Austräge. Sie wurden später von
der Reichsgesetzgebung bestätigt und für einzelne Fälle gesetzlich
angeordnet!. Seit dieser Zeit unterschied man gewillkürte,
gesetzliche und privilegierte Austräge, je nachdem die
Grundlage derselben ein Vertrag, ein Gesetz oder ein kaiser-
liches Privileg war. Gesetzliche Austräge hatten die Reichs-
stände für alle Klagen, die reichsunmittelbaren, aber
nicht reichsständischen Personen nur dann, wenn
der Kläger gleichen oder höheren Standes war. Die
12 Instr. pac. Osnabr. Art, 5 8 56. W.C. Art. XXXIV 88 6—.
ı Vgl. $ 26 N. 1.
® W.C. Art. 1$5 3 u. 4.
8 Instr. pac. Osnabr. Art, 5 $ 56.
‘ Vgl.$ 25 a. E.
1 Landfr. Albrechts von 1438 8S Sf. K. G. O. von 1495 88 28—30,
von 1521 Tit. 33, von 1555 Tit. 2—5. Instr. pac. Osnabr. Art. V $ 56.
RB: 0. Tit. II $S2. W.C. Art. XVIO $ 4 Vgl. Schroeder, R.G. 564,
56 , °