Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

232 Zweiter Teil. Einleitung. $ 72. 
Reichslande Elsaß-Lothringen die vor Einführung der Reichs- 
verfassung erlassenen Reichsgesetze nur insofern, als sie durch 
einen besonderen gesetzgeberischen Akt auf dasselbe ausgedehnt 
sind. Dasselbe gilt für Helgoland; dem Kaiser ist aber die Be- 
fugnis beigelegt, mit Zustimmung des Bundesrates Reichsgesetze 
im Verordnungswege daselbst. einzuführen ®, 
4. In Elsaß-Lothringen haben die französischen Gesetze 
ihre Geltung behalten, soweit nicht entweder ihr Gegenstand infolge 
der Lostrennung der Gebietsteile von Frankreich und der Ver- 
einigung derselben mit dem Deutschen Reiche in Wegfall ge- 
kommen ist oder sie durch Gesetze des Deutschen Reiches auf- 
gehoben sind?”. Außerdem besitzen daselbst auch die Verord- 
nungen des Generalgouverneurs aus der Zeit der kriege- 
rischen Okkupation gesetzliche Gültigkeit®. 
Für die Interpretation moderner Gesetze sind ein wichtiges 
Hilfsmittel die Verhandlungen der parlamentarischen Versamm- 
lungen, welche im Reiche und den einzelnen Staaten in amtlicher 
Form veröffentlicht werden, nebst den als Anlage zu denselben 
erscheinenden Regierungsvorlagen, Kommissionsberichten usw. 
Maßgebend für die Interpretation ist in erster Linie der publizierte 
Wortlaut des Gesetzes, eventuell der aus den Verhandlungen er- 
kennbare Wille des Gesetzgebers ?. 
© RG., betr. die Vereinigung von Helgoland mit dem Deutschen Reiche, 
vom 15. Dezember 18% 8 6. 
? Loening, Verwaltung des Generalgouvernements im Elsaß 189 ff. 
Über die staatsrechtliche Gültigkeit der während des Krieges 1870/71. seitens 
der französischen Regierung erlassenen Gesetze und Dekrete vgl. Loening 
a. a. O. 191 ff.; O. Frhr. v. Richthofen, Ann.D.R. (1874) 521 ff.; Kayser, Die 
französische Preßgesetzgebung in Elsaß-Lothringen, im J. f. Gesetzgebung usw. 
des Deutschen Reiches 4 151ff.; Laband, Staatsrecht 6 69) 2 260; Leoni in 
Marquardsens Handb. 220 ff., Öffentliches Recht Elsaß-Lothringens 1 9 ff. 
8 Laband, St.R. 2 261 ff.; Leoni in Marquardsens Handb. 220. 
® Vgl. C. G. Wächter, De lege Saxonica d. VIII m. Febr. a. 1834 lata 
commentarii pars I Lipeiae 1835 p. 50 ff.; Derselbe, Abh. aus dem Straf- 
recht 244 ff.; Derselbe, Handbuch des im Königreich Württemberg geltenden 
Privatrechts 2 145 u. 146 ff.; Krug, Grundsätze der Gesetzesauslegung in 
Anwendung auf die neueren deutschen Strafgesetzbücher (1848); R. v. Mohl, 
er die Benutzung von ständischen Verhandlungen zur Auslegung von 
Gesetzen. Staatsrecht, Völkerrecht, Politik 1 96 ff.; E. R. Bierling, Über die 
Benutzung von Landtags- und Sznodalverhandlungen zur Auslegung der 
neueren deutschen Staats- und Kirchengesetze, in Z.KirchR. 10 141 fi.; 
J. Petersen, Die Benutzung der Materialien bei der Gesetzesauslegung, in 
Z. f. Reichs- und Landesrecht 5 3837 ff.; J. Kohler, Über die Interpretation 
der Gesetze, in GrünhutsZ. 18 1fl.; Binding, Handbuch des deutschen Straf- 
rechts 1 469 .; Wach, Handbuch des deutschen Zivilprozeßrechts 1 281 ff.; 
Seligmann, Gesetz im materiellen und formellen Sinne 134 ff.; Friedberg, 
Verfassungsrecht der evangelischen Landeskirchen 22 ff.; RGZ. 17 90; M. Sazl, 
Materialien und Gesetz (1907); Lukas, Zur Lehre vom Willen des Gesetz- 
gebers, in der Festgabe für Laband (1908) 1 399 f. Obwohl bei der Be- 
nutzung der sogenannten Materialien große Vorsicht angewendet werden 
muß, so ist es doch nicht richtig, denselben, wie Kohler und Binding a. ae. O. 
tun, alle Bedeutung abzusprechen und als Auslegungsmittel nur Wortlaut 
und Zweck des Gesetzes anzuerkennen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.