Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Zweiter Teil. Einleitung. $ 73, 295 
IV. Autonomische Normen, 
d. h. Rechtsvorschriften, welche nicht vom Reiche oder den ein- 
zelnen Staaten, sondern von Privaten oder Korporationen inner- 
halb dieser Gemeinwesen ausgehen. Für das Gebiet des Staats- 
rechts sind in dieser Beziehung von Wichtigkeit: die Hausgesetze 
der regierenden Fürstenhäuser, die Statuten der Gemeinden und 
anderen Kommunalverbände und die Geschäftsordnungen der parla- 
mentarischen Versammlungen ®., 
8 78. 
Der Inbegriff derjenigen Rechtssätze, welche gemeinrechtlichen. 
Quellen entnommen sind, bildet das gemeine deutsche Staats- 
recht, während diejenigen Rechtsvorschriften, welche auf parti- 
kulären Quellen beruhen, als partikuläres Staatsrecht be- 
zeichnet werden. Auch nach Gründung des Deutschen Reiches ist 
ein großer Teil des in Deutschland geltenden Staatsrechts parti- 
kuläres Recht geblieben. Gegenüber diesem hat die Wissenschaft 
die Aufgabe, die gemeinsamen Grundgedanken und Ideen, welche 
den verschiedenen Partikularrechten zugrunde liegen, aufzusuchen 
und zur Darstellung zu bringen. Allerdings besitzen die auf diese 
Weise gefundenen Resultate nur insoweit praktische Anwendbar- 
keit, als sie dem Inhalt eines einzelnen deutschen Partikularrechts 
entsprechen. Ein Rechtssatz, der in vielen oder allen deutschen 
Partikularrechten wiederkehrt, ist einallgemeiner, aber darum 
noch kein gemeinrechtlicher Rechtssatz !. 
absoluten Staates und die Rezeption des römischen Rechts sind in Deutsch- 
land ein und derselbe historische Vorgang.“ 
e Um korporative Autonomie kann es sich bei den parlamentarischen 
Geschäftsordnungen nicht handeln, denn die Volksvertretungen in Land und 
Reich sind (vgl. unten 31,96, 128) keine Korporationen, vielmehr kollegialisch 
formierte Staatsorgane. Die Geschäftsordnungen sind nicht als autonomische 
Satzungen, sondern eher als Verordnungen zu bezeichnen: Jellinek, 
System 189. O. Mayer beanstandet (Arch.ÖfE.R. 21 449) die Bezeichnung der 
parlamentarischen Geschäftsordnungen als Verordnungen, sagt aber selbst 
nicht, was diese Geschäftsordnungen nach seiner Ansicht sein sollen. Nach 
H. Schmid, Parlam. Sondergewalt u. Disziplin (zit. unten $ 104 Anm. a) 21 ff.. 
sind die Geschäftsordnungen vereinbarte Satzungen. 
ı Die Bezeichnung der allgemeinen aus einer Vergleichung der Parti- 
kularrechte abstrahierten Sätze ala gemeines Recht kommt namentlich 
bei v. Gerber vor (Das wissenschaftliche Prinzip des gemeinen deutschen 
Privatrechts [Jena 1846] 269; System des deutschen Privatrechts 88 5—7; 
Deutsches Staatsrecht [% 5) 11 N. 4. Da jedoch mit dem Ausdruck „ge- 
meines Recht“ herkömmlich ein anderer Sinn verbunden wird, so ist es vor- 
zuziehen, für diese Sätze den Ausdruck „allgemeines deutsches Recht“ an- 
zuwenden. Vgl. Thöl, Einleitung in das deutsche Privatrecht (1851) $ 46 ff. ; 
H. A, Zachariä, Staatswörterbuch 2 732 ff.; H. Schulze, Einleitung $ 8 und 
Z. f. deutsch. Staater. (1867) 426 ff.; Gierke, Deutsches Privatrecht 1 45.
	        
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