Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

Die Organe. $ 105. 379 
Verfasssungen enthalten noch die weitergehende Bestimmung, daß 
jedes Strafverfahren gegen ein Landtagsmitglied, sowie jede Unter- 
suchungshaft während der Dauer der Session auf Verlangen des 
Landtages oder der betreffenden Kammer suspendiert werden muß ®®, 
Alle diese Vorschriften der Landesgesetzgebungen sind durch das 
Einführungsgesetz zur RStPO.®° ausdrücklich aufrechterhalten 
worden. Die betreffenden Vorschriften sind Land es gesetze, 
daher bindend nur für die Gerichte desjenigen Staates, von dem 
sie herrühren, nicht für die Gerichte anderer deutscher Staaten ®'. 
Während der Zeit, in welcher eine Strafverfolgung nicht statt- 
finden kann, ruht die Verjährung, ebenso während des Verfahrens, 
das eingeleitet wird, um eine Entscheiduug über die Zulässigkeit 
der Verfolgung herbeizuführen #2. 
Ähnliche Bestimmungen wie für die Untersuchungshaft be- 
standen nach einzelnen Verfassungen, insbesondere nach der preuß. 
Verf. (Art. 84 Abs. 3) auch für die Verhaftung wegen Schulden. 
Durch die RZPO. ist diese Angelegenheit für das ganze Gebiet 
des Deutschen Reiches einheitlich geregelt worden. Nach derselben 
ist eine Haft in Zivilsachen gegen Mitglieder eines deutschen Land- 
tages während der Sitzungsperiode nur insoweit zulässig, als sie 
von der Versammlung genehmigt wird, und sie muß auf Verlangen 
der Versammlung während der Dauer der Sitzungsperiode unter- 
brochen werden®®. Diese Vorschriften sind reichsgesetzliche Vor- 
schriften und daher für alle deutschen Gerichte maßgebend, einerlei 
welchem Staate der betreffende Abgeordnete angehört ®%, 
Nach den Bestimmungen der Reichsjustizgesetze und der Militär- 
strafgerichtsordnung kann außerdem eine Vernehmung der Land- 
tagsmitglieder als Zeugen oder Sachverständige außerhalb des Sitzes 
der Versammlung während der Sitzungsperiode nur mit Zustimmung 
des Landtages oder der betreffenden Kammer stattfinden 3, 
führung (Zwangsgestellung) ist nicht Untersuchungshaft, auf welche sich 
das im Text erörterte Privileg ausschließlich bezieht (vgl. die vorige Anm.) 
— sondern Zwangsmittel. 
20 Preuß. Verf. Art. 84, Bayr. Verf. VII $ 26 (Fassung des G. vom 
6. Juli 1908), Württ. Verf. 8 184 (Fassung vom 16. Juli 1906), S.-Weim. RGG. 
8 19, S.-Alt. G. vom 23. Nov. 1848. (Ebenso die RV. Art. 31 Abs. 3; vgl. $ 133. 
2 EG.$6 Nr. 1. Vgl.N. 28a E. 
si So mit Recht: Weismann in Z. Strafrechtswiss. 9 380 ff.; Fuld im 
Arch.Öff.R. 4 371; Seidler, Immunität 115ff. And. Ans.: Gareis in Z. Straf- 
rechtswiss. 7 633 ff.; v. Savieny im WStVR.1 18; v. Kries im Arch.Off.R. 
5 371 ff, [auch Piloty in der DJZ. 19 521 fl. und in der Berliner „Voss. Ztg.“ 
vom 29. März 1914. Präzedenzfall: Verhaftung des bayrischen Abgeordneten 
Abresch in Mannheim, März 1914; darüber Piloty a. a.O. und Kahn in der 
Frankfurter Ztg. vom 5. April 1914, sowie Loening im PrVBl. 85 493 ff., 
welcher ebenso wie Kalın der im Text vertretenen Meinung zustimmt.) 
8? RG., betr. die Abänderung des $ 69 des RStGB. vom 26. März 1893. 
ss ZPO. SS 904 u. 905. [Diese Vorschriften finden auch Anwendung 
auf die im Falle wiederholter Verweigerung des Zeugnisses verhängte 
Zwangshaft: ZPO. 8 390 Abs. 2; vgl. oben N. d.] 
And, Ans.: Sonntag, Schutz usw. 82 ff. 
8 ZPO. SS 382 u. 402, RStPrO. 85 49 u. 72, RMilStPO. $ 207, 208.
	        
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