Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

98 Einleitung. $ 8. 
Sinne scheidet sich in die Rechtspflege (Justiz), d. h. die 
auf die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung gerichtete Tätigkeit, 
und die Verwaltung im engeren Sinne, d.h. die Sorge für 
die Staats- und Volksinteressen. Da, wo das Wort „Verwaltung“ 
ohne weiteren Zusatz gebraucht wird, ist es in der letzteren 
Bedeutung zu verstehen ®», 
Verwaltung und Justiz sind der Gesetzgebung untergeordnet. 
Aber das Verhältnis beider zur Gesetzgebung und zum geltenden 
Recht überhaupt ist ein wesentlich verschiedenes. Für die Justiz 
sind nur Rechtsgrundsätze, für die Verwaltung sowohl Rechts- 
grundsätze als Zweckmäßigkeitsrücksichten maßgebend. Die 
pflege und des Verwaltungsstreitverfahrens nach preußischem Becht 8 N. 2, 
namentlich aber O, Mayer, V.R. 15, 97ff. Daß das Moment der Allgemein- 
heit, wenn auch kein Essentiale, doch wenigstens ein Naturale des Gesetz- 
begriffes sei, gestehen auch die Gegner meist zu (Laband, St.R. 2 2; Kl.A. 
108; Jellinek, Staatsl. 610 ff.; Anschütz, Kritische Studien 25 und Enzykl. 155. 
kEine vermittelnde Formulierung hat Rosin, Das Polizeiverordnungsrecht in 
Preußen (2. A. 1895) 10 ff., versucht. Nach dieser kann das Gesetz zwar 
nicht bloß einen konkreten Tatbestand, wohl aber ein individuelleg 
Rechtsverhältnis regeln. Ahnlich: Bernatzik, Rechtsprechung und materielle 
Rechtskraft (1886) 5 N. 5. Ein Gegensatz zwischen konkret und indivi- 
duell, wie ihn Rosin annimmt, besteht aber überhaupt nicht: seine Theorie 
kommt im Resultat durchaus auf die Ansicht hinaus, daß der Begriff des 
Gesetzes sich nicht auf allgemeine Vorschriften beschränkt. 
® Haenel macht in seiner Schrift über Gesetz im formellen und mate- 
riellen Sinne 183 ff. der „neueren staatsrechtlichen Kompendienliteratur“ den 
Vorwurf, sie begehe den „handgreiflichen Fehler“, Gesetzgebung, Rechts- 
flege und Verwaltung als „koordinierte Glieder einer Einteilung“ zu be- 
andeln. Dieser Vorwurf ist gegenüber der hier zugrunde gelegten Ein- 
teilung der staatlichen Funktionen jedenfalls ungerechtfertigt, da in den 
früheren Auflagen des Lehrbuches, ebenso wie in der gegenwärtigen, der 
Gesetzgebung die Verwaltung im weiteren Sinne gegenübergesetzt 
und erst ala Unterabteilungen der letzteren Rechtspflege und Ver- 
waltung im engeren Sinne unterschieden werden. Eine Behandlung 
der drei Funktionen als koordinierter Glieder liegt demnach hier nicht vor. 
Wenn Haenel (a. a. OÖ. 186) statt „Verwaltung im weiteren Sinne“ die Be- 
zeichnung „Vollziehung“ beliebt, so ist das cine Frage der Nomenklatur. 
Doch hat der Ausdruck „Vollziebung“ immer das Bedenken, daß dadurch 
der Eindruck erweckt wird, als ob die Verwaltung nur eine Vollziehung der 
Gesetze sei, während sie doch auch ein Handeln nach freiem Ermessen 
innerbalb gesetzlicher Schranken ist. Für die systematische Darstellung 
empfiehlt sich dagegen allerdings, die übliche Dreiteilung beizubehalten, 
weil für Verwaltung und Rechtsptlege nicht bloß eine „eigentümlich charak- 
terisierte Behördenorganisation“ (Haenel a. a. O. 186) besteht, sondern auch 
verschiedene materielle Grundsätze gelten. — Wie im Text: E. v. Meier in 
der Enzykl. der Rechtswiss. (6. Aufl.), 2 729. 
a Der im Text vorgeschlagene Ausdruck „Verwaltung im weiteren 
Sinne“, welcher auch die Justiz mitumfaßt, hat sich nicht einzubürgern ver- 
mocht. Der herrschende Sprachgebrauch verwendet das Wort „Verwaltung“ 
nur für diejenige Tätigkeit, welche oben als „Verwaltung im engeren Sinne“ 
bezeichnet ist, also im Sinne eines Gegensatzes zur Justiz; er verharıt also, 
im Anschluß an die von den modernen Verfassungsurkunden aufgenommene 
Lehre von der Gewaltenteilung, bei der funktionellen Dreigliederung der 
Staatsgewalt in Gesetzgebung, Justiz, Verwaltung. Anschütz, Kultur der 
Gegenwart a. a. O. 373, 381. 
* Vgl. auch Jhering, Zweck im Recht 1 377 fl.
	        
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