Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts.

494 Zweiter Teil. Zweites Buch, $& 127. 
füllung derselben verantwortlich. Auch bei der Entscheidung von 
Rechtsfragen und Arbeiten in den Ausschüssen haben sie sich, 
falls ihnen Instruktionen erteilt worden sind, an diese zu halten. 
Häufig werden jedoch die Bundesratsvertreter nicht mit speziellen 
Instruktionen über jeden einzelnen Punkt ausgestattet. Es bleibt 
ihnen vielmehr überlassen, innerhalb gewisser Schranken die Ab- 
stimmung nach eigenem Ermessen vorzunehmen. Dies kommt 
namentlich dann vor, wenn der betreffende Ressortminister persön- 
lich die Vertretung im Bundesrate übernommen hat. 
Die Bevollmächtigten zum Bundesrat besitzen die Stellung 
von diplomatischen Vertretern. Sie genießen die völker- 
rechtlichen Privilegien der Gesandten, namentlich das der Ex- 
territorialität?. Exterritorialität bedeutet hier natürlich nicht 
Freiheit von der Einwirkung der deutschen Reichsgewalt, sondern 
lediglich Freiheit von der Einwirkung der Staatsgewalt, in deren 
Gebiet der Bundesrat seinen Sitz hat: der preußischen®. 
Dieses Privileg bezieht sich nur auf die nichtpreußischen Bevoll- 
mächtigten, denn der König von Preußen kann nicht seinem 
eigenen Bevollmächtigten diplomatischen Schutz gewähren *. Ins- 
besondere sind die nichtpreußischen Bundesratsmitglieder, ebenso 
wie Vertreter auswärtiger Staaten, von der preußischen Gerichts- 
gewalt5® und der preußischen Finanzgewalt eximiert. Wichtig ist 
dies namentlich hinsichtlich derjenigen Mitglieder des Bundesrates, 
welche ihren ständigen Wohnsitz in Berlin haben, 
Die Mitglieder des Bundesrates können, während sie sich 
am Sitze des Bundesrates aufhalten, nur mit Genehmigung 
ihres Landesherrn an einem anderen Orte als Zeugen oder 
Sachverständige vernommen werden®,. 
8. Der Kaiser», 
8 197. 
[Das Kaisertum des heutigen Deutschen Reiches ist der In- 
begriff derjenigen reichsörganschaftlichen Attributionen, welche 
dem König von Preußen außer und neben der bevorrechtigten 
® Die RV Art. 10 drückt dies so aus: „Dem Kaiser liegt es ob, den 
Mitgliedern des Bundesrates den üblichen diplomatischen chutz zu ge- 
währen.“ [In Wahrheit ist es nicht der Kaiser, sondern der König von 
Preußen, dem diese Pflicht obliegt.) 
8 Vgl. Seydel, im Jahrb. 280; Laband, StR 1 244. 
* Laband 1 244; v. Jagemann a. a. 0. W. 
5 RGVG SS 18—20. 
° RZPrO SS 382 und 402. RStPrO 88 49, 72. 
s Vgl. außer den betr. Partieen der systematischen Darstellungen des 
RStR von Laband, Zorn, Schulze, v. Mohl, v. Roenne, Arndt: Laband, Art, 
Kaiser im WStVR; Zorn, Art. Kaiser in v. Holtzendorfis Rechtslexikon; 
Haenel in Hirths AnnDR 1877 90ff.; derselbe, Das Kaisertum (Rektoratsrede, 
Kiel 1892), derselbe, Studien 2 Yff., 56 ff.; v. Seydel, Komm. 126ff., 158 fi.;